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Bittere Pille?

Der Gesundheitssektor in den Russland-Sanktionen nach 14 Sanktionspaketen

Im Rahmen ihrer Sanktionspolitik verhängt die EU seit mittlerweile zehn Jahren Sanktionen gegen Russland (Verordnung (EU) Nr. 833/2014 des Rates vom 31. Juli 2014 über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren, Russland-VO). Gegenstand dieser sind zahlreiche nicht personenbezogene Maßnahmen, die dazu dienen, wirtschaftlichen und politischen Druck auf das Land auszuüben. Maßnahmen mit Bezug zum Gesundheitssektor – etwa Verbote über die Ausfuhr von Arzneimitteln und Medizinprodukten – sind zwar nicht unmittelbarer Gegenstand der Verordnung, gleichwohl besteht angesichts ihres breiten Anwendungsbereichs (Art. 13 Russland-VO) und ihrer weitreichenden Verbote und Einschränkungen (Art. 2 ff. Russland-VO) stets die Gefahr, dass auch der Gesundheitssektor von den Sanktionsbestimmungen berührt wird.

Um diese Wirkung einzuschränken und den Handel mit Arzneimitteln und Medizinprodukten weiter zu ermöglichen, wurden zahlreiche Ausnahmevorschriften in der Verordnung geschaffen. Diese gewährleisten jedoch keine flächendeckende Befreiung vom Anwendungsbereich der Russland-VO und sind in ihrer Ausgestaltung darüber hinaus tendenziell kompliziert und dadurch eher unhandlich. In der Folge besteht weiterhin – auch nach Verabschiedung des 14. Sanktionspakets – ein erhebliches Maß an Rechtsunsicherheit für nach Russland exportierende Unternehmen im Gesundheitssektor.

Gesundheitsbezogene Ausnahmen in der Russland-VO

Die Russland-VO sieht für die gesundheitsbezogenen Ausnahmen keinen eigenständigen Abschnitt vor. Stattdessen sind die entsprechenden Regelungen auf einzelne Absätze verschiedener Sanktionsnormen aufgeteilt, wodurch kaum Übersichtlichkeit entsteht und die jeweiligen Ausnahmevorschriften nicht immer leicht zu finden sind. Im Grundsatz lassen sich zwei Arten von gesundheitsbezogenen Ausnahmen in der Russland-VO unterscheiden, die sich grundlegend unterscheiden, nämlich einerseits Befreiungsvorschriften (insb. Art. 2 Abs. 3 lit. b), 2a Abs. 3 lit. b) und 5aa Abs. 3 lit. f)) und andererseits Genehmigungsvorschriften (insb. Art. 3k Abs. 5 lit. a), 3l Abs. 4 lit. b) und 3ea Abs. 5 lit. b)).

Während sich Befreiungsvorschriften dadurch auszeichnen, dass sie bestimmte Produkte oder Verhaltensweisen vom Anwendungsbereich der zugehörigen Sanktionsvorschrift automatisch ausnehmen, wirken Genehmigungsvorschriften dergestalt, dass Unternehmen nur dann eine Sanktionsvorschrift unberücksichtigt lassen können, wenn die national zuständige Behörde ihnen eine entsprechende Genehmigung erteilt hat. Diese prüft vor der Erteilung der Genehmigung selbst, ob die Voraussetzungen der Sanktions- und Ausnahmevorschrift vorliegen. Genehmigungsvorschriften erfordern also ein zusätzliches behördliches Handeln, was ihre Wirkung um einen zusätzlichen Zeit- und Unsicherheitsfaktor ergänzt. Andererseits bieten Genehmigungen – anders als Ausnahmetatbestände – aufgrund der behördlichen Prüfung und Erteilung mehr Rechtssicherheit.

Sowohl Befreiungs- als auch Genehmigungsvorschriften lassen sich darüber hinaus danach unterscheiden, zu welchem Zweck ein Geschäftsvorgang vom Anwendungsbereich einer Sanktion ausgenommen werden soll. So sind – je nach Ausnahmevorschrift – solche Vorgänge ausgenommen, die für den Kauf, die Einfuhr oder den Transport von „pharmazeutischen [und] medizinischen Erzeugnissen“ erforderlich sind, solche die generell für „medizinische oder pharmazeutische Zwecke“ erforderlich sind oder solche, die „humanitären Zwecken“ dienen. Keine dieser Fallgruppen wird jedoch in der Russland-VO näher bestimmt oder definiert, sodass eine genaue Abgrenzung kaum möglich ist. Der dritten Fallgruppe kommt darüber hinaus in der Praxis kaum Bedeutung zu, da sie nur dann einschlägig ist, wenn nachgewiesen werden kann, dass die Ausfuhr im Einklang mit dem humanitären Völkerrecht und den Grundsätzen der Menschlichkeit, Neutralität, Unparteilichkeit und Unabhängigkeit Hilfe, Unterstützung und Schutz für Menschen in Not leistet.

Andauernde Herausforderungen für Unternehmen im Gesundheitssektor

An diesem status quo hat sich auch durch das am 24. Juni 2024 verabschiedete 14. Sanktionspaket nichts Grundlegendes geändert. Nach wie vor sind nicht alle relevanten Verbotsnormen mit eigenen Ausnahmen oder Abweichungsmöglichkeiten für Medizin- und Pharmaunternehmen versehen. Auch die oben skizzierte Struktur der existenten Ausnahmevorschriften wurde nicht angepasst, sodass die bekannten Auslegungs- und Anwendungsprobleme weiterhin bestehen.

Gerade in Bezug auf die bereits angesprochenen Genehmigungsvorschriften hat die Erfahrung der vergangenen Monate und Jahre gezeigt, dass die Behörden zwar eine grundsätzliche Bereitschaft zeigen, für Geschäfte zu pharmazeutischen und medizinischen Zwecken Ausnahmegenehmigungen zu erteilen. Dafür sind jedoch nach wie vor umfangreiche technische Prüfungen und die Beteiligung von Bundesministerien erforderlich, was regelmäßig zu sehr langen Bearbeitungszeiten führt.

Für nach Russland exportierende Unternehmen des Gesundheitssektors bedeutet dies also weiterhin ein erhebliches Maß an Rechts- und vor allem Planungsunsicherheit. Zudem sind auch aus rechtlicher Perspektive die unscharfen und kaum strukturierten Sanktionsausnahmen für den Gesundheitssektor weiterhin mehr als unbefriedigend. Eine entsprechende Überarbeitung und Neufassung der Vorschriften wäre daher sehr zu begrüßen.

BLOMSTEIN verfolgt die Entwicklungen im Zusammenhang mit den Russland-Sanktionen weiterhin aufmerksam. Florian Wolf, Christopher Wolters und Tobias Ackermann beantworten Ihnen gerne alle Fragen, die Sie zu den möglichen Auswirkungen auf Ihr Unternehmen oder Ihre Branche haben.