Evaluieren, Überwachen und Harmonisieren
Die Gemeinsame Mitteilung zur Stärkung der wirtschaftlichen Sicherheit der EU vorgestellt
Am Mittwoch, den 3. Dezember 2025 hat der zuständige EU-Kommissar Maroš Šefčovič gemeinsam mit der Hohen Vertreterin für die Außen- und Sicherheitspolitik Kaja Kallas der Öffentlichkeit die Gemeinsame Mitteilung zur Stärkung der wirtschaftlichen Sicherheit der EU präsentiert (JOIN(2025) 977 final). Die ursprünglich als „Doktrin“ bezeichnete Mitteilung, soll die bisherigen Bemühungen um die Wirtschaftssicherheit bündeln und nach Šefčovič „einen Gang höher schalten“. Die Mitteilung stellt nun verschiedene, konkretere Maßnahmen in Aussicht.
Hintergrund
Die Gemeinsame Mitteilung ist die neueste und konkreteste Ausprägung einer bereits seit einigen Jahren andauernden Neuausrichtung der europäischen Handelspolitik in Richtung De-risking. Bereits im Juni 2023 hat die Europäische Kommission noch mit dem damaligen Hohen Vertreter Josep Borell eine erste Europäische Strategie für wirtschaftliche Sicherheit vorgelegt (JOIN/2023/20 final). Ziel war es, den zunehmenden geoökonomischen Risiken zu begegnen, die durch geopolitische Spannungen, technologische Umbrüche und globale Lieferkettenabhängigkeiten ausgelöst wurden.
Im Januar 2024 folgte mit dem „Economic Security Package“ das erste darauf aufbauende, konkrete Maßnahmenpaket. Die darin getroffenen Maßnahmen umfassen u.a. eine Reform der Investitionsprüfung durch eine Überarbeitung der EU-Screening-Verordnung, Ausweitung der Exportkontrollen durch Ergänzung der in der Dual-Use-Verordnung aufgelisteten Güter (Verordnung (EU) 2021/821; letzte Änderungsverordnung: Delegierte Verordnung (EU) 2025/2003), Monitoring von Auslandsinvestitionen (White Paper on Outbound Investments) und Forschungssicherheit durch Überprüfung und Neubewertung von EU-Förderprogrammen und eine stärkere Nutzung von Synergien zwischen ziviler Nutzung und Verteidigung bei F&E (White Paper on R&D in Dual Use). Darin zeigte sich bereits der angestrebte Wandel von einer rein wirtschaftlichen Perspektive hin zu einem integrierten Verständnis von Wirtschaft und Sicherheitspolitik, der mit der am Mittwoch vorgestellten Gemeinsamen Mitteilung weiter intensiviert wurde.
Zudem wird die Mitteilung durch den ReSourceEU-Plan flankiert, der hauptsächlich Änderungen am Critical Raw Materials Act (Verordnung (EU) 2024/1252, CRMA) vornehmen soll (diese Änderungen finden sich im Vorschlag COM(2025) 946 final). Ziel dieses Rahmenplans ist eine strategische Rohstoff- und Technologiepolitik; etwa durch den Beginn einer Vorratshaltung von kritischen Mineralien, gemeinsame Beschaffungspolitik und den Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft hinsichtlich strategischer Rohstoffe.
Die Maßnahmen im Einzelnen
Die Gemeinsame Mitteilung ist als Weiterführung und Konkretisierung dieser Ziele, Pläne und Programme zu verstehen. Sie soll einen Paradigmenwechsel vollziehen - von einem bloßen Reagieren auf die globalen Herausforderungen, hin zu einem proaktiveren Agieren. Dazu sollen die bestehenden Instrumente und Kompetenzen gebündelt und Neue geschaffen werden.
Die Mitteilung identifiziert sechs Hochrisikogebiete, auf welchen die angekündigten Maßnahmen folgende Wirkungen erzielen sollen:
Lieferketten stärken und strategischen Abhängigkeiten entgegenwirken.
Wertschöpfende Inbound-Investitionen anziehen.
Verteidigungs- und Raumfahrtindustrie sowie andere kritische Industriezweige unterstützen.
Führende Position in kritischen Technologien aufrechterhalten und weiterentwickeln.
Zugriff auf sensible Informationen und Daten verhindern, die die wirtschaftliche Sicherheit der EU gefährden könnten.
Störungen kritischer EU-Infrastrukturen, die sich auf die EU-Wirtschaft auswirken, verhindern, bzw. mindern.
Dazu will die Kommission zum einen die Abhängigkeitsverhältnisse entlang den Lieferketten schneller prüfen können, um bestehende Abhängigkeiten möglichst bald zu reduzieren. Zum anderen sollen zahlreiche neue Gruppen, Zentren, und Kommunikationskanäle geschaffen werden, um die Sammlung und den Austausch von relevanten Informationen zu erleichtern. Neben diesen Analyse- und Governance-Maßnahmen will die Kommission auch ihre bisherigen Instrumente verbessern.
Investitionskontrolle
In Ergänzung zur Reform der EU Screening Verordnung will die Kommission zum einen Leitlinien erlassen, die sicherstellen sollen, dass die Behörden das FDI-Screening einheitlich handhaben. Zudem sollen über einen Monitoring-Prozess solche Startups in kritischen Technologien identifiziert werden, die möglicherweise Ziel von „feindlichen Übernahmen“ aus dem Ausland werden könnten, um diese an alternative europäische Investoren weiterleiten zu können. Um dennoch Unternehmen in den eventuell längeren Phasen der finanziellen Unsicherheit während eines FDI-Screenings nicht zu gefährden, soll ein Unterstützungsmechanismus evaluiert werden. Zudem wird evaluiert Bedingungen für Investitionen einzuführen, um etwa Technologietransfer in die EU zu ermöglichen.
Auch möchte die Kommission auf mitgliedsstaatlicher Ebene mit Aufsichtsbehörden zusammenarbeiten, um auf den identifizierten Hochrisikogebieten auch Portfolio-Investments, die bisher nicht unter die FDI-Kooperationsmechanismus fallen, überwachen zu können. Wie das in der Praxis konkret aussehen mag, ist nicht beschrieben.
Stärkung des Standorts Europa
Die Dual-Use-Verordnung soll einer ganzheitlichen Überprüfung hinsichtlich der Vereinbarkeit mit der „neuen geopolitischen und ökonomischen Realität“ unterzogen werden. Vor dem Hintergrund von zunehmenden, einseitigen Exportkontrollen soll evaluiert werden, wie auch europäische Kontrollen in neuen Technologiebereichen unter diesen neuen Rahmenbedingungen effizient umgesetzt werden können. So solle laut der Kommission verhindert werden, dass Staaten Abgängigkeiten als Waffe nutzen können.
Die Kommission möchte außerdem die Nutzung strategischer Zollerleichterungen für EU-Unternehmen prüfen und gleichzeitig EU-Förderprogramme ausbauen. Dies soll dadurch abgesichert werden, dass die EU darauf hinwirkt, ihre Bauteile in bestimmten Hochrisikogebieten mindestens von zwei verschiedenen Lieferanten zu beziehen. Hinzu kommt die Überlegung der Kommission, europäische Präferenzkriterien für das öffentliche Beschaffungswesen im Rahmen der Überarbeitung der Vergaberechtsrichtlinien zu verabschieden. Schließlich soll die Blocking-Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 2271/96), die europäische Unternehmen etwa vor extraterritorialen Sekundärzöllen der USA schützt, erneut evaluiert und ggf. erweitert werden.
Ausblick
Die Gemeinsame Mitteilung bietet zu einem großen Teil eine Zusammenfassung der gegenwärtigen Herausforderungen, die um noch recht vage Ankündigungen von Initiativen ergänzt sind. Um die Auswirkungen der Maßnahmen abschätzen zu können, bleibt abzuwarten, wie die Kommission ihre Absichten schließlich unterfüttern wird.
Ziel der Kommission ist, die vorhandene Toolbox besser, abgestimmter und vor allem pro-aktiver zu nutzen. Für Unternehmen bedeutet das auch, sich Gedanken zu machen, ob sie ihr Risiko besser diversifizieren. Bei unlauterer Konkurrenz aus Nicht-EU Staaten können sie zudem auf die Nutzung der verschiedenen bisherigen Instrumente pochen (z.B. prüfen, ob ein Anti-Dumping-Verfahren angestoßen wird).
Im Rahmen von FDI-Verfahren bleibt abzuwarten, inwieweit Portfolio-Investments durch die Kommission überwacht und wie das Zusammenspiel mit den das FDI-Verfahren führenden Mitgliedstaaten aussieht.
BLOMSTEIN wird Sie über die weiteren Entwicklungen auf dem Laufenden halten. Bei Beratungsbedarf und anderen Fragen zum Umgang mit den neuen EU-Vorgaben zur wirtschaftlichen Sicherheit, stehen Ihnen Leonard von Rummel sowie das gesamte Team jederzeit gerne zur Verfügung.