Covid 19 und Investitionskontrolle – Neue EU-Leitlinien mahnen Kontrolle im Gesundheitssektor an

30.03.2020

Die derzeitige Covid 19-Pandemie hat sich längst auch zu einer Wirtschaftskrise entwickelt, deren volle Auswirkungen noch nicht absehbar sind. Die Krise erfasst auch solche Unternehmen, die in sogenannten systemrelevanten Bereichen tätig sind und auf deren Einsatz es zum Schutz der öffentlichen Gesundheit besonders ankommt. Nach Ansicht der EU Kommission ist daher gegenwärtig besonders wichtig, einen „Ausverkauf“ von kritischen Unternehmen und Schlüsseltechnologien und eine hierdurch drohende Beeinträchtigung des Gesundheitssektors zu verhindern.

Zu diesem Zweck hat die Kommission am 25. März 2020 Leitlinien zum Schutz kritischer europäischer Vermögenswerte und Technologien in der derzeitigen Krise veröffentlicht. Diese zeigen auf, wie bestehende Kontrollmechanismen durch die Mitgliedstaaten in der derzeitigen Krise und mit Bezug zum Gesundheitsschutz angewendet werden können. Gleichzeitig mahnen sie deren konsequente Verwendung an und betonen so die weiter steigende praktische Relevanz der Investitionskontrolle.

Investitionskontrolle und Gefahren für die öffentliche Gesundheit

Das Unionsrecht ist grundsätzlich offen gegenüber Direktinvestitionen und garantiert ausdrücklich den freien Kapitalverkehr auch mit Bezug auf Drittländern. Diesen Umstand betont auch das deutsche Wirtschaftsministerium stets. Diese Freiheit gilt jedoch nicht absolut. Beschränkungen aufgrund der Sicherheit oder öffentlichen Ordnung sind möglich. Hierunter fallen auch Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung als eines der zwingenden Interessen des Allgemeinwohls.

In ihren Leitlinien betont die Kommission, dass in der derzeitigen Lage ausländische Direktinvestitionen im Bereich der Gesundheit, medizinischen Forschung, Biotechnologie und entsprechenden Infrastrukturen unter besonderer Beobachtung stehen müssen. Dass es einen Anlass für solche Leitlinien gibt, zeigte nicht zuletzt die Diskussion um das Tübinger Biotech-Unternehmen, das angeblich aus den USA gekauft werden sollte. Mitgliedstaaten sollen sorgfältig prüfen, ob einschlägige Investitionen dazu führen könnten, dass kritische Unternehmen und Technologien der Union verloren gehen würden. Auch unionsweite Auswirkungen auf die Gesundheitsinfrastruktur und Versorgungsketten seien dabei unbedingt zu berücksichtigen. Liegt eine solche Gefahr vor, sei ein Einschreiten auf Grundlage des jeweils einschlägigen innerstaatlichen Rechtsrahmens notwendig.

In Deutschland stellt die Außenwirtschaftsverordnung (AWV) Möglichkeiten zur Investitionskontrolle zur Verfügung. Maßgeblich für den Sektor Gesundheit ist dabei regelmäßig die sogenannte sektorübergreifende Prüfung. Hiernach hat das Bundeswirtschaftsministerium die Befugnis inne, den Erwerb von inländischen Unternehmen oder Beteiligungen an ihnen durch Unionsfremde dahingehend zu überprüfen, ob eine Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit besteht. Eine solche Gefahr kann nach den gesetzlichen Vorgaben insbesondere dann vorliegen, wenn das fragliche Unternehmen Betreiber einer kritischen Infrastruktur ist. Hierunter fällt auch der Sektor Gesundheit. Gefahren für die Gesundheitsversorgung können daher auch intensive Maßnahmen rechtfertigen. Ein vollständiges Verbot von Transaktionen ist allerdings nur als letztes Mittel verhältnismäßig. Angemessener kann der Erlass von Anordnungen sein, wie etwa das Auferlegen von Lieferverpflichtungen, um Versorgungsausfälle zu vermeiden. In der Praxis einigen sich die Parteien hier häufig im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Vertrages.

Die zukünftige unionsweite Koordinierung der Investitionskontrolle

Neben den Regeln der einzelnen Mitgliedstaaten verweisen die neuen Leitlinien der Kommission vor allem auch auf die vor einem Jahr verabschiedete und im Oktober 2020 voll in Kraft tretende Verordnung 2019/452 Verordnung 2019/452 zur Schaffung eines Rahmens für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen in der Union. Diese Verordnung schafft selbst kein Kontrollregime und etabliert auch keine Rechtspflicht zur Einführung eines solchen durch die Mitgliedstaaten, obwohl die Kommission insoweit eine eindeutige Präferenz zeigt. Die neuen Leitlinien etwa appellieren ausdrücklich an Mitgliedstaaten ohne Investitionsüberprüfung, einen umfangreichen Mechanismus einzurichten. Auch die Überprüfung und Beschränkung von ausländischen Direktinvestitionen bleibt weiterhin in den Händen der Mitgliedstaaten. Sinn und Zweck der Verordnung ist stattdessen die erstmalige Einführung eines unionsweiten Mechanismus zur Koordinierung von Investitions-kontrollen. Dieser sieht einerseits einen obligatorischen Austausch zwischen Mitgliedstaaten und der Kommission sowie den Mitgliedstaaten untereinander vor. Andererseits gewährt er der Kommission die Möglichkeit, Empfehlungen auszusprechen, wenn eine geplante Investition Unionsinteressen berührt. Auch einzelne Mitgliedstaaten haben fortan die Möglichkeit, bei anderen Mitgliedstaaten anzuregen, einschränkende Maßnahmen auch mit Bezug auf bereits durchgeführte Investitionen durchzuführen.

Fazit

Die im Zusammenhang mit der gegenwärtigen Gesundheitskrise veröffentlichten Leitlinien liefern einen weiteren Indikator für die weiter steigende praktische Bedeutung der Investitionskontrolle. Vor dem Hintergrund der neuen EU-Verordnung werden unionsweite Interessen bei der Überprüfung durch die Mitgliedstaaten zunehmend Berücksichtigung finden. Zudem ist zu erwarten, dass die Kommission offensiv mit ihren neuen Kompetenzen umgehen und vermehrt auf individuelle Transaktionen Einfluss nehmen wird.

Die gestiegene politische Sensibilität beschränkt sich dabei nicht auf die Unionsebene, sondern gilt ebenso für die Mitgliedstaaten selbst. So gibt auch Deutschland seinen traditionell eher liberalen Ansatz zunehmend auf, hat die Investitionskontrolle ausgeweitet und angekündigt, die bestehenden Regeln weiter verschärfen zu wollen. Während dies in der Vergangenheit vor allem im Kontext einzelner Übernahmen durch chinesische Unternehmen diskutiert wurde, zeigen die aktuellen Leitlinien der Kommission zur Covid 19-Pandemie, dass das Bewusstsein für die Belange der Investitionskontrolle und die Bereitschaft, stärker zu intervenieren, stetig steigen.

BLOMSTEIN wird die weiteren Entwicklungen beobachten und darüber informieren. Wenn Sie Fragen zu den potenziellen Auswirkungen auf Ihr Unternehmen oder Ihre Branche haben, stehen Ihnen Dr. Roland M. Stein und Dr. Leonard von Rummel jederzeit gern zur Verfügung.

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