Verordnung über kritische Rohstoffe und ihre Umsetzung: Die Jagd kann beginnen
Die EU ist in hohem Maße von der Einfuhr kritischer Rohstoffe aus Drittländern abhängig. Mit dem Fortschreiten der digitalen Wirtschaft und der wachsenden Bedeutung von Umweltbelangen führen Abhängigkeit zu einer Verwundbarkeit der Lieferketten und machen deshalb bessere und effizientere Regulierung notwendig.
Seit unserem letzten Briefing hierzu hier, können wir nun konkrete Termine und Daten mitteilen. Die Verordnung über kritische Rohstoffe (CRMA) ist am 23. Mai 2024 in Kraft getreten und schafft einen Rahmen zur Gewährleistung einer sicheren und nachhaltigen Versorgung der EU-Industrie mit kritischen Rohstoffen.
Klare Prioritäten für Maßnahmen
Der CRMA setzt Prioritäten und Ziele zur Stärkung der EU-Rohstoffwertschöpfungskette. Zu diesem Zweck identifiziert der CRMA die Rohstoffe, die für die EU von besonderer Bedeutung sind oder von denen die EU sogar abhängig ist, und stuft 34 als kritische Rohstoffe (siehe Art. 4 und Anhang II des CRMA, z. B. Kobalt, Magnesium und Phosphor) und 17 als strategische Rohstoffe (siehe Art. 3 und Anhang I des CRMA, z. B. Aluminium, Kupfer und Lithium) ein. Es obliegt der Kommission, diese Liste bis zum 24. Mai 2027 und danach alle drei Jahre zu überprüfen und zu aktualisieren.
Auf strategischer Ebene sieht der CRMA die Schaffung eines Systems strategischer Projekte vor und verbessert die Überwachung und Risikominderung, wobei versucht wird sicherzustellen wird, dass die Nachhaltigkeit Vorrang hat.
Der CRMA sieht darüber hinaus die Einrichtung eines Europäischen Ausschusses für kritische Rohstoffe (Ausschuss) vor, welcher sich aus den EU-Mitgliedstaaten und der Kommission zusammensetzen wird. Dieser erörtert und koordiniert die Umsetzung der im CRMA festgelegten Maßnahmen und erörtert die strategischen Partnerschaften der EU mit Drittländern.
Richtwerte
Mit dem Ziel, die verschiedenen Stufen der Wertschöpfungskette für strategische Rohstoffe zu stärken, legt der CRMA ehrgeizige Richtwerte für die EU fest, die bis zum Jahr 2030 erreicht werden sollen, wobei die bereits zuvor im Entwurf festgelegten Ziele beibehalten werden. Zu diesem Zweck sollen durch die Verbesserung der Gewinnungs‑, Umwandlungs- und Recyclingkapazitäten für strategische Rohstoffe in der EU die folgenden Ziele erreicht werden:
EU-Gewinnungskapazität von mindestens 10 % des Jahresverbrauchs der strategischen Rohstoffe in der EU;
EU-Verarbeitungskapazität von mindestens 40 % des Jahresverbrauchs der strategischen Rohstoffe in der EU;
EU-Recyclingkapazitäten in Höhe von mindestens 25 % des Jahresverbrauchs der strategischen Rohstoffe in der EU;
Nicht mehr als 65 % des Jahresverbrauchs der Union eines strategischen Rohstoffs ist auf jeder relevanten Verarbeitungsstufe von einem einzigen Drittland abhängig.
Strategische Projekte
Um die einheimischen Kapazitäten der EU zu stärken, wird die Kommission gemeinsam mit dem Ausschuss strategische Projekte entlang der Wertschöpfungskette ermitteln. Diese sollen von strafferen, schnelleren und effizienteren Genehmigungsverfahren sowie einem erleichterten Zugang zu Finanzmitteln profitieren. Strategische Projekte sind auch solche, die die Produktion von Materialien ermöglichen, die strategische Rohstoffe ersetzen. Darüber hinaus gewährleistet das Gesetz, dass die Bemühungen um den Aufbau sicherer und nachhaltiger Wertschöpfungsketten für kritische Rohstoffe durch strategische Projekte in der EU oder in Drittländern unter Einhaltung hoher Umwelt-, Sozial- und Governance-Standards erfolgen.
Die Kommission kann darüber hinaus auch Projekte in Drittländern oder in überseeischen Ländern und Gebieten durch die Gewährung von Vorteilen unterstützen, wie einem besseren Zugang zu Finanzmitteln, beispielsweise durch den Zugang zu Mechanismen zur Verringerung des Investitionsrisikos.
Jeder Träger eines strategischen Projekts soll sich bei der Kommission um die Anerkennung seines Projekts als strategisches Projekt bewerben können. Alle Projekte müssen jedoch die "EU-Grundsätze für nachhaltige Rohstoffe" einhalten, wie z. B. die Gewährleistung des Umweltschutzes, die Anwendung sozial verantwortlicher Verfahren, einschließlich der Achtung der Menschenrechte, und transparente Geschäftspraktiken.
Die Bewerbungen müssen bis zum 22. August 2024 um 12:00 Uhr mitteleuropäischer Zeit über das Formular eingereicht werden, das über die Website der Europäischen Kommission verfügbar ist.
Risikoüberwachung und -minderung
Ab 2026 sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, jährliche Berichte über ihre Vorräte an strategischen Rohstoffen vorzulegen. Die Kommission wird die Versorgungsrisiken überwachen, Stresstests durchführen und auf der Grundlage dieser Berichte die Aufrechterhaltung eines sicheren Niveaus der strategischen Unionsvorräte koordinieren.
Die Kommission beabsichtigt ferner, ein gemeinsames Beschaffungssystem einzurichten, dessen Hauptziel darin besteht, die Nachfrage interessierter Unternehmen innerhalb der EU, die strategische Rohstoffe verbrauchen, zu bündeln, und die gemeinsame Nachfrage zu befriedigen und hierdurch Engpässe zu vermeiden. Diese Maßnahme ist besonders wichtig für strategische Technologien wie die Raumfahrt und die Verteidigungsindustrie.
Im Sinne der Nachhaltigkeit legt der CRMA außerdem fest, dass jeder EU-Mitgliedstaat nationale Programme mit Maßnahmen zur „Mäßigung“ des Anstiegs des Verbrauchs dieser Art von Rohstoffen durchführen sollte. Dementsprechend sollten Unternehmen ermutigt werden, ihre Technologie zu verbessern und den Kreislauf von Rohstoffen (oder Produkten, die sie verwenden) durch Wiederverwendung, Reparatur und/oder Umwandlung zu verbessern.
Kurz und bündig: Was kommt auf Unternehmen zu?
Wie wird sich der CMRA auf Unternehmen auswirken, wenn man die einzelnen Regelungspunkte Richtwerte, Regelungen für strategische Projekte und die Risikoüberwachung und -minderung - insgesamt betrachtet?
Bis zum 24. Mai 2025 und innerhalb von 12 Monaten nach einer Aktualisierung der Liste strategischer Rohstoffe müssen die EU-Mitgliedstaaten ihre „großen Unternehmen“ ermitteln, die diese Materialien verwenden für:
die Herstellung von Batterien für die Energiespeicherung und Elektromobilität, Ausrüstung für die Erzeugung und Nutzung von Wasserstoff, Ausrüstung für die Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Quellen, Luftfahrzeuge, Antriebsmotoren, Wärmepumpen, Ausrüstung für die Datenübertragung und -speicherung, mobile elektronische Geräte, Ausrüstung für die additive Fertigung, Ausrüstung für Robotik, Drohnen, Raketenwerfer, Satelliten oder fortgeschrittene Chips.
Diese Unternehmen müssen eine Risikobewertung ihrer Lieferkette für strategische Rohstoffe durchführen, indem sie kartieren, wo die von ihnen verwendeten strategischen Rohstoffe gewonnen, verarbeitet oder recycelt werden, aber auch die Faktoren analysieren, die sich auf ihre Versorgung auswirken könnten, und die Anfälligkeiten für Versorgungsunterbrechungen bewerten.
Der letztgenannte Faktor ist besonders wichtig, denn wenn ein Unternehmen erhebliche Anfälligkeiten für Versorgungsunterbrechungen feststellt, muss dieses sich darum bemühen, diese zu verringern, indem es unter anderem die Möglichkeit der Diversifizierung seiner Rohstofflieferketten oder die Ersetzung der strategischen Rohstoffen prüft.
Obwohl die Unternehmen ihre Risikoanalyse an ihren Mitgliedstaat melden müssen, sind diese Informationen ausschließlich für interne Zwecke der Mitgliedstaaten bestimmt und nicht für die Allgemeinheit zugänglich.
Insbesondere Unternehmen, die unter den CRMA fallende Rohstoffe einkaufen oder verarbeiten, müssen sich auf die neuen Regelungen vorbereiten. Darüber hinaus müssen sich die Unternehmen der Zusammenhänge zwischen dem CMRA und anderen bestehenden Gesetzen, insbesondere nationalen Gesetzen (z. B. LkSG), beachten, da die Gesetze sich gegenseitig ergänzen und - soweit der Anwendungsbereich eröffnet ist - auch zu beachten sind.
Wichtigste Erkenntnisse
Der CRMA bietet einen umfassenden Rahmen, um die EU-Mitgliedstaaten und Unternehmen, die mit Rohstoffen handeln, besser in die Lage zu versetzen, sich an die neuen Realitäten potenzieller Engpässe und des zunehmenden globalen Wettbewerbs anzupassen.
Die Unternehmen müssen eine Risikobewertung ihrer eigenen Lieferkette für strategische Rohstoffe durchführen und festlegen, wo diese gewonnen, verarbeitet und recycelt werden. Darüber hinaus müssen sich die Unternehmen darauf einstellen, die erworbenen strategischen Rohstoffe wiederzuverwenden, zu reparieren und/oder umzuwandeln, um der EU dabei zu helfen, die festgelegten Richtwerte zu erreichen.
Es bleibt abzuwarten, wie die einzelnen EU-Mitgliedstaaten und insbesondere Deutschland den CRMA umsetzen werden. Bereits zum 24. November 2026 müssen die Mitgliedstaaten Vorschriften über wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Strafen für Verstöße gegen den CRMA festgelegt haben.
BLOMSTEIN wird die weiteren Entwicklungen bezüglich der Verabschiedung des CRMA und insbesondere dessen Umsetzung in Deutschland verfolgen. Roland M. Stein, Florian Wolf und Leonard von Rummel beantworten Ihnen gerne alle Fragen, die Sie zu den möglichen Auswirkungen auf Ihr Unternehmen oder Ihre Branche haben.