Die jüngsten exterritorialen US-Sanktionen und Reaktionen der EU
Am 23. Oktober 2017 verweigerte Präsident Trump die Bestätigung (sog. recertification) des internationalen Atomabkommens mit dem Iran (Joint Comprehensive Plan of Action, JCPOA).
Am 31. Oktober 2017 wurden 41 mit dem Korps der Iranischen Revolutionsgarden (IRGC) in Verbindung stehende natürliche und juristische Personen unter den US-Terrorismus-Sanktionen gelistet. Diese neuen Listungen sind Ausprägung eines wachsenden Trends unilateraler, ohne vorherige Konsultationen oder Koordinierung auf internationaler Ebene erlassener US-Sanktionen.
Im Folgenden geben wir am Beispiel der neusten US-Entwicklungen mit Blick auf den JCPOA sowie die US-Sanktionen gegen Russland einen Überblick über diese Entwicklungen. Zudem untersuchen wir die potenziellen Auswirkungen dieser US-Sanktionen für europäische Unternehmen sowie die Reaktionsmöglichkeiten der Europäischen Union.
Trumps Verweigerung der Bestätigung des JCPOA und potenzielle Auswirkungen
Bereits während seines Präsidentschaftswahlkampfs 2016 hatte Präsident Trump den JCPOA scharf kritisiert. Seit der Tätigkeitsaufnahme der Trump-Administration im Januar dieses Jahres besteht eine intensive Debatte innerhalb der US-Regierung zwischen den JCPOA-Skeptikern um Präsident Trump und JCPOA-Befürwortern wie Außenminister Tillerson.
Im Jahr 2015 hatte der US-Kongress, um die politische Kontrolle des zu diesem Zeitpunkt im finalen Verhandlungsstadium befindlichen JCPOAs durch den Kongress sicherzustellen, den sogenannten Iran Nuclear Agreement Review Act erlassen. Dieser hat nationalrechtlich nach wie vor Bedeutung, da der US-Präsident dem Kongress danach alle 90 Tage Bericht darüber zu erstatten hat, ob der Iran den JCPOA einhält. Die jüngste Bestätigung, dass das der Fall ist, hat Präsident Trump nun verweigert.
Aufgrund des starken Drucks Tillersons und anderer hochrangiger Beamter hat Präsident Trump bislang davon abgesehen, den JCPOA für die USA aufzukündigen. Er bestand jedoch auf eine Ausweitung der unilateralen US-Sanktionen gegen den Iran und forderte die Vereinbarung zusätzlicher Maßnahmen durch den US-Kongress, den Iran, die EU und anderer in den JCPOA involvierter Parteien. Auf diesem Wege sollen die amerikanischen Bedenken hinsichtlich der weiteren Phasen des JCPOAs, des iranischen Raketenprogramms sowie der iranischen Unterstützung von Hisbollah und anderer militärischer Gruppen adressiert werden.
Nach Trumps neuer Iran-Politik ist es denkbar, dass die Trump-Administration im Laufe des Jahres 2018 die US-Beteiligung am JCPOA aufkündigen und die ausgesetzten US-Sanktionen wiedereinführen könnte. Betroffen hiervon wären insbesondere die sogenannten „secondary sanctions“, die Strafen für europäische und andere nichtamerikanische Unternehmen vorsehen, wenn diese sich an bestimmten Aktivitäten in Bezug auf den Iran, seine Regierung oder sanktionierte iranische Personen beteiligen.
Darüber hinaus könnte die sogenannte „General License H“ widerrufen werden. Diese war, wie im JCPOA vorgesehen, im Januar 2016 von der US-Regierung erlassen worden, um die Sanktionen gegen Iran-Transaktionen von im Eigentum oder unter der Kontrolle von US-Personen stehender nicht-US-Unternehmen zu lockern. Obwohl die „General License H“ sehr eng gefasst ist, bietet sie einen gewissen Schutz für europäische und andere nichtamerikanische Unternehmen mit US-Muttergesellschaften oder US-Eigentümern, die Geschäfte mit dem Iran betreiben.
Jüngste US-Secondary Sanctions gegen Russland und potentielle Auswirkungen
Im August 2017 unterzeichnete Präsident Trump widerwillig den sogenannten Countering America’s Adversaries Through Sanctions Act (CAATSA), durch den in erheblichem Umfang neue unilaterale US-Sanktionen gegen Russland und Nordkorea sowie – in geringerem Umfang – auch weitere Sanktionen gegen den Iran erlassen wurden. Darüber hinaus beinhaltet CAATSA Ermächtigungsgrundlagen für weitere Secondary Sanctions, die es dem Präsidenten ermöglichen, nichtamerikanischen Unternehmen Strafen für von der Trump-Administration festgestellte bestimmte Aktivitäten in Bezug auf Russland aufzuerlegen – selbst wenn das betreffende Unternehmen weder Beziehungen noch Kontakte zu den USA besitzt. Vor Erlass des JCPOA hatten der Kongress und Präsident Obama ähnliche Secondary Sanctions in Bezug auf den Iran erlassen.
Derzeit erscheint es unwahrscheinlich, dass diese Sanktionen weitreichend durchgesetzt werden. Aus am 31. Oktober 2017 von der Trump-Administration herausgegebenen Leitlinien ergibt sich jedoch, dass die Durchsetzung zumindest einiger dieser Sanktionen beabsichtigt ist und Außenminister Tillerson hat in informellen öffentlichen Erklärungen eine vollständige Durchsetzung des CAATSA angekündigt. Positiv für EU-Unternehmen ist jedoch hervorzuheben, dass die Leitlinien andeuten, dass die Trump-Administration ihr Ermessen hinsichtlich der Sanktionen ausüben wird und gegen EU-Unternehmen und Unternehmen aus anderen Ländern keine Maßnahmen ergreifen wird, die die „Einheit und Koordination mit [US] Verbündeten und Partnern“ schädigen würden.
Auch nach Erlass der Leitlinien müssen in der EU ansässige Unternehmen und Finanzinstitutionen in Bezug auf von den Sanktionen erfasste Transaktionen entscheiden, ob sie wegen des Risikos von Strafen nach den Secondary Sanctions von diesen Abstand nehmen wollen. Von den Sanktionen erfasst sind dabei insbesondere bestimmte Investitionen oder die Bereitstellung von Gütern oder Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Konstruktion oder Reparatur von russischen Erdöl- und Erdgas-Pipelines, signifikante Transaktionen mit Unternehmen des russischen Verteidigungs- oder Geheimdienstsektors sowie bestimmte Transaktionen in Bezug auf die Privatisierung von russischem Staatsvermögen.
Risiken und Schwierigkeiten für europäische Unternehmen und (potentielle) Reaktionsmöglichkeiten der EU
Die steigende Anzahl unilateraler US-Sanktionen und die zunehmend geringere Koordinierung der Außenpolitik Washingtons und Brüssels sowie anderer EU-Hauptstädte bringt europäische Unternehmen in eine zunehmend schwierige Position. Denn Geschäftsbeziehungen mit bestimmten Ländern, die nach EU-Recht vollkommen rechtmäßig sind, sind nach amerikanischem Recht verboten und mit schweren Strafen bedroht. Das gilt insbesondere in Bezug auf den Iran, mit dem viele europäische Unternehmen ihre Geschäftsbeziehungen nach den Sanktionslockerungen unter dem JCPOA wiederaufgenommen haben, aber auch in Bezug auf Russland.
In Reaktion auf Trumps Weigerung, die Einhaltung des JCPOA zu bestätigen, hat der Rat der Europäischen Union die Wichtigkeit der Übereinkunft mit dem Iran als „entscheidende Säule der internationalen Nichtverbreitungsarchitektur“ betont und hat die USA dazu aufgefordert, „ihren Verpflichtungen nach dem JCPOA nachzukommen und die Folgen für die Sicherheit der USA, ihrer Partner und der Region zu bedenken, bevor weitere Schritte unternommen werden“. Gleichzeitig hat die EU ihren Einsatz für eine vollständige und wirksame Umsetzung sämtlicher Teile des JCPOA unterstrichen. Der Leiter der Delegation der Europäischen Union für die Vereinigten Staaten, David O’Sullivan, hat bei einer Atlantic Council Conference betont, dass die EU „das rechtmäßige Interesse ihrer Unternehmen mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mittel schützen wird“. Das deutet auf eine mögliche Erweiterung der EU-Blocking-Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 2271/96) hin, die es EU-Personen untersagt, bestimmte US-Sanktionsgesetze einzuhalten.
Um Wirkung zu entfalten, müsste eine solche Erweiterung der EU-Blocking-Verordnung von effizienten Vollzugsmaßnahmen und entsprechend starkem politischen Druck begleitet werden. Es ist jedoch fraglich, ob eine solche Erweiterung europäischen Unternehmen einen höheren Grad an Rechtssicherheit gewähren kann. Denn EU-Unternehmen wären in den meisten Fällen dennoch unter US-Recht harten Strafen ausgesetzt. Das gilt insbesondere mit Blick auf die enge Verbindung europäischer Banken zum US-Bankensystem sowie die Vollstreckungsmöglichkeiten amerikanischer Behörden, die von der Pfändung von US-Vermögen bis zur Sperrung des US-Marktzugangs europäischer Unternehmen reichen. Allerdings: Mit Blick auf die Erweiterung der extraterritorialen US-Sanktionen gegen Russland, die insbesondere den Bau russisch-europäischer Gaspipelines wie Nord Stream II und Turk-Stream betreffen, war die Möglichkeit einer Erweiterung der EU-Blocking-Verordnung vielleicht auch ein Grund für den offensichtlichen Unwillen der Trump-Administration, diese Sanktionen durchzusetzen. Es erscheint daher nicht ausgeschlossen, dass eine mögliche Erweiterung der EU-Blocking-Verordnung mit Blick auf etwaige neue Iran-Sanktionen ähnliche Wirkung zeigt. Zur Wirksamkeit einer etwaigen Erweiterung der EU-Blocking-Verordnung siehe auch das Interview von BLOMSTEIN-Partner Roland Stein im Energy Compass.
Über eine Erweiterung der EU-Blocking-Verordnung hinaus hat die EU auch die Möglichkeit, extraterritoriale US-Sanktionen auf WTO-Ebene im Wege eines formellen Verfahrens anzugreifen. Mitte der 1990er, als die EU die Option mit Blick auf die extraterritorialen US-Sanktionen gegen Kuba und Iran ausübte, führte dies immerhin zu einer politischen Lösung: Nach der 1997 zwischen den USA und der EU insoweit erzielten politischen Übereinkunft verpflichteten sich die USA, unter dem extraterritorialen „Iran Sanctions Act“ keine Strafen gegen in der EU ansässige Unternehmen zu verhängen. Auch in den Jahren vor Abschluss des JCPOA, in denen diese und andere extraterritoriale US-Sanktionen gegen den Iran aktiv durchgesetzt wurden, wurden daher nur eine Hand voll Strafen gegen EU-Unternehmen verhängt.
Darüber hinaus wäre die Schaffung von Offshore-US-Dollar-Clearing-Einrichtungen denkbar, die zumindest das Risiko für EU-Banken – und EU-Unternehmen – mindern würden, vom US-Finanzsystem abgeschottet zu werden.
Vor dem Hintergrund der jüngsten Entwicklungen sollten EU-Unternehmen bis auf Weiteres insbesondere darauf achten, in alle Verträge mit sensiblen Ländern und Regionen force majeure -Klauseln aufzunehmen. Zudem sollten sie in einen engen Dialog mit den politischen Entscheidungsträgern auf nationaler und europäischer Ebene treten, um diesen die wirtschaftlichen Auswirkungen etwaiger weiterer extraterritorialer US-Sanktionen zu verdeutlichen und so, soweit erforderlich, deren rasches Eingreifen zu erreichen.
Jacobson Burton Kelley und BLOMSTEIN werden die weiteren Entwicklungen beobachten und darüber informieren. Sollten Sie Fragen bezüglich den potentiellen Auswirkungen auf Ihr Unternehmen oder Ihren Sektor haben, stehen Ihnen Dr. Roland Stein und Glen Kelley jederzeit gern zur Verfügung.