KHZG – Vergaberechtliche Folgen für Krankenhausbetreiber
Mit dem am 29. Oktober 2020 in Kraft getretenen Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) soll die Digitalisierung von Krankenhäusern vorangetrieben werden. Bis zu 4,3 Mrd. Euro stellen der Bund und die Länder seit dem 1. Januar 2021 dafür zur Verfügung. Gefördert werden unter anderem Investitionen in die digitale Infrastruktur, Maßnahmen zur IT-Sicherheit sowie dafür erforderliche personelle Maßnahmen. Aus der KHZG-Förderrichtlinie geht hervor, dass das Bundesamt für Soziale Sicherung einen Krankenhauszukunftsfonds einrichtet. Die Krankenhausträger können ihren Förderbedarf bei den Ländern anmelden, welche ihrerseits Förderanträge an das Bundesamt für Soziale Sicherung stellen. Sobald die Länder das Geld erhalten haben, erlassen sie einen Fördermittelbescheid gegenüber dem Krankenhausträger und leiten die Fördermittel weiter. Neben dem Bundesgesundheitsministerium hat inzwischen auch das Land Niedersachsen zu wesentlichen Fragen im Zusammenhang mit dem KHZG Stellung genommen. Durch die Förderung können auch private Krankenhausträger an vergaberechtliche Vorgaben gebunden werden.
Zwei Wege zur Geltung des Vergaberechts
Die Vorgaben des Vergaberechts sind laut der KHZG-Förderrichtlinie durchgehend zu berücksichtigen. Grundsätzlich sind an das GWB-Vergaberecht nur öffentliche Auftraggeber i.S.d. § 99 GWB gebunden. Krankenhäuser mit öffentlichen Trägern müssen daher das GWB-Vergaberecht beachten, wenn die vergaberechtlichen Schwellenwerte erreicht oder überschritten werden.
Der Fördermittelbescheid der Länder wird zudem regelmäßig allgemeine Nebenbestimmungen zur Projektförderung (ANBest-P) enthalten, die ihrerseits Vorgaben zur Vergabe von Aufträgen enthalten. Die entsprechenden Anlagen zu der Regelung für Zuwendungen in der Landeshaushaltsordnung des jeweiligen Landes sehen dies vor (in der Regel Anlage 2 des § 44 bzw. § 46 der jeweiligen Landeshaushaltsordnung). Sowohl die einzuhaltenden Bestimmungen als auch die Schwellenwerte variieren von Land zu Land.
Aus Gründen der Rechtssicherheit sollten die jeweiligen vergaberechtlichen Bestimmungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt beachtet werden. Das Land Niedersachsen etwa stellte bereits klar, dass die Förderfähigkeit einer Maßnahme nur gegeben ist, wenn die vergaberechtlichen Vorgaben von Anfang an (frühestens am 02.09.2020) bei der Auftragsvergabe beachtet wurden.
Besonderheiten für öffentliche Auftraggeber
Öffentliche Auftraggeber werden folglich teilweise sowohl über die ANBest-P der Länder (dazu s. unten) als auch über das allgemeine Vergaberecht des GWB, welches die ANBest-P der Länder meist ausdrücklich „unberührt“ lassen, an vergaberechtliche Bestimmungen gebunden. Das Vergaberecht wird folglich nicht vom Zuwendungsrecht verdrängt. Vielmehr entfalten die Rechtsgebiete parallel Wirkung. Nicht immer decken sich jedoch die Vorgaben des GWB-Vergaberechts mit den Bestimmungen, die über die ANBest-P der Länder gelten. Das dürfte insbesondere für die ANBest-P einiger Länder gelten, die die Anwendung veralteter Vorschriften wie der VOL/A vorsehen. Im Einzelfall könnte dies beispielsweise dazu führen, dass nach dem GWB-Vergaberecht eine bestimmte Vorgehensweise erlaubt ist, nach der VOL/A jedoch nicht. Eine Orientierung an der jeweils strengeren Vorschrift (wobei im Einzelfall nicht einmal immer klar ist, was das konkret bedeutet) wird nicht möglich sein, wenn sich die Vorschriften widersprechen. In solchen Fällen könnte eine Entscheidung zugunsten der Vorschrift angezeigt sein, die auf EU-Vergaberecht basiert, um dem Vorrang des EU-Rechtes zu entsprechen.
Bindung privater Krankenhausträger
Krankenhäuser mit privaten Trägern sind nicht an das GWB-Vergaberecht gebunden. Sie sind keine öffentlichen Auftraggeber i.S.d. § 99 GWB, wenn sie nicht ausnahmsweise überwiegend (zu mehr als 50%) durch die öffentliche Hand finanziert werden. Insofern ergeben sich keine Besonderheiten nach dem KHZG. Über den Fördermittelbescheid gelten allerdings auch für sie die ANBest-P des jeweiligen Landes und somit teilweise auch vergaberechtliche Bestimmungen. Da Krankenhäuser mit privaten Trägern außerhalb des Förderprojekts typischerweise nicht an vergaberechtliche Bestimmungen gebunden sind, kann dies zu einem erheblichen Mehraufwand führen.
Überblick über die ANBest-P der Länder
Die ANBest-P zahlreicher Länder sehen eine Bindung der Förderungsempfänger an das Vergaberecht, d.h. meist die UVgO, teilweise aber auch die VOL/A, vor. Die genauen Vorgaben und Schwellenwerte variieren jedoch zwischen den Bundesländern teils erheblich (dazu unter 1.). Andere Bundesländer sehen in ihren ANBest-P dagegen keine Bindung an das Vergaberecht vor. Sie beschränken sich teilweise auf rudimentäre Vorgaben (dazu unter 2.).
1. Verweis auf das Vergaberecht
In Bayern und Berlin müssen Krankenhausbetreiber ab einem Gesamtbetrag der Zuwendungen (Zuwendungswert) von mehr als 100.000 Euro bei der Auftragsvergabe grundsätzlich die Bestimmungen der UVgO einhalten. Hessen sieht den gleichen Schwellenwert vor, modifiziert jedoch die vergaberechtlichen Vorgaben der UVgO. Brandenburg sieht eine Schwelle für die Anwendbarkeit der UVgO von 50.000 Euro vor.
Baden-Württemberg knüpft die Geltung der Bestimmungen der UVgO an den Wert des zu vergebenden Auftrags (Auftragswert). So gelten dort die Bestimmungen der UVgO, wenn ein Krankenhausbetreiber einen Auftrag von mindestens 100.000 Euro vergibt, sofern dieser Auftrag überwiegend durch Zuwendungen finanziert wird.
Andere Bundesländer, namentlich Bremen, Hamburg und Niedersachsen, setzen für die Anwendung der UVgO sowohl einen Mindestzuwendungswert (Bremen und Hamburg: 50.000 Euro, Niedersachsen: 100.000 Euro) als auch einen Mindestauftragswert (Bremen und Hamburg: 100.000 Euro, Niedersachsen 25.000 Euro) voraus.
Ist die UVgO anwendbar, hat die Vergabe im Regelfall in Form der öffentlichen Ausschreibung oder der beschränkten Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb zu erfolgen. In Berlin und Bremen ist bis zu einem Auftragswert von 100.000 Euro jedoch auch eine „beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb“ möglich. Danach kann sich der Auftraggeber ohne Auftragsbekanntmachung direkt an von ihm als geeignet ausgewählte Anbieter zu wenden. Ebenfalls in Berlin sowie in Hessen gibt es Verfahrenserleichterungen bei einem Auftragswert von bis zu 10.000 Euro. Hier ist auch eine „Verhandlungsvergabe mit oder ohne Teilnahmewettbewerb“ möglich. Bei dieser Verfahrensart der UVgO ist es dem Auftraggeber erlaubt, mit den Bietern über Teile des Angebotsinhalts zu verhandeln.
Auch in Rheinland-Pfalz (ab einem Zuwendungswert von 100.000 Euro) und Sachsen-Anhalt (ab einem Auftragswert von 100.000 Euro) wird die Geltung vergaberechtlicher Bestimmungen von Schwellenwerten abhängig gemacht. Allerdings findet nicht die UVgO, sondern die VOL/A Anwendung. Hessen hat seine ANBest-P jüngst angepasst und den Verweis auf die VOL/A entfernt.
Die ANBest-P des Saarlands sehen eine Geltung der VgV vor für Lieferungen und Dienstleistungen, die den EU-Schwellenwert von 215.000 Euro (seit 2022) überschreiten.
Unterhalb der jeweils maßgeblichen Zuwendungs- und/oder Auftragswertschwelle ähneln die Vorgaben zur Auftragsvergabe der oben genannten Länder den ANBest-P der anderen Fallgruppe von Ländern, die (überhaupt) kein formelles Vergaberecht für ab einer bestimmten Schwelle für anwendbar erklären (dazu sogleich). Einige Länder (so z. B. in Bayern, Bremen und im Saarland) geben vor, dass der Auftraggeber mehrere Angebote einzuholen und diesen Vorgang auch zu dokumentieren hat. Dabei gelten für Bagatellaufträge teilweise noch weitere Erleichterungen. Hamburg und Schleswig-Holstein ermöglichen wiederum die Direktvergabe bis zu einer Wertgrenze von 1.000 Euro, was der entsprechenden Regelung der UVgO entspricht. Dagegen kann in Mecklenburg-Vorpommern und Bayern noch bei Auftragswerten bis unterhalb von 5.000 Euro direkt vergeben werden.
Andere Bundesländer sehen für Aufträge im Bereich unterhalb des jeweils maßgeblichen Schwellenwertes keine ausdrücklichen Vorgaben vor (so z. B. in Brandenburg). Dann sind bei der Auftragsvergabe nur die von den ANBest-P der Bundesländer regelmäßig für anwendbar erklärten Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten.
2. Kein Verweis auf das Vergaberecht
Andere Länder sehen überhaupt keine Bindung an das Vergaberecht vor. Sie machen stattdessen unmittelbare Vorgaben für die Auftragsvergabe. In Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Schleswig-Holstein sind ab einem Zuwendungswert von 100.000 Euro (und für Sachsen zusätzlich ab einem Auftragswert von 5.000 Euro) grundsätzlich mindestens drei Angebote einzuholen und die Vergabe hat nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu erfolgen. In Thüringen gilt dies unabhängig vom Zuwendungs- oder Auftragswert.
In Nordrhein-Westfalen fand bislang die UVgO ab einem Zuwendungswert von mehr als 500.000 Euro Anwendung. Vor dem Hintergrund der COVID-19-Pandemie hat das Bundesland seine Bestimmungen jedoch nunmehr angepasst und abweichende ANBest-P-Corona veröffentlicht. Darin hat es die Pflicht zur Vergabe nach der UVgO ab einem bestimmten Schwellenwert komplett abgeschafft. Aufträge sind demzufolge „zu wirtschaftlichen Bedingungen“ und grundsätzlich nach vorheriger Einholung von mindestens drei Angeboten einzuholen. Anzumerken ist dabei, dass die ANBest-P-Corona NRW keinen besonderen Zusammenhang zwischen dem einzelnen Auftrag und der Bekämpfung der COVID-19-Pandemie verlangen. Mit einem Runderlass vom 25. Mai 2021 hat das Land zudem explizit klargestellt, dass die ANBest-P-Corona NRW auch für Zuwendungen im Rahmen der Krankenhauszukunftsfondsförderung gelten sollen. Zwar ist der Runderlass (zunächst) bis zum 31. Dezember 2023 befristet. Maßgeblich für Zuwendungsempfänger ist aber grundsätzlich nur der konkrete Zuwendungsbescheid. Inkorporiert der Bescheid die Regelungen der ANBest-P-Corona NRW, sind diese unabhängig von der Geltung des Runderlasses maßgeblich.
Rechtsfolgen bei Verstößen
Für die Rückforderung auf der Grundlage von zuwendungsrechtlichen Bestimmungen (in diesem Fall der ANBest-P) bestehen grundsätzlich keine großen Hürden. Die ANBest-P sehen regelmäßig vor, dass bei Nichterfüllung einer Auflage der begünstigende Verwaltungsakt widerrufen werden kann. Grundsätzlich stellt die Nichteinhaltung von Vergaberecht per se einen Auflagenverstoß nach § 49 Abs. 3 Nr. 2 VwVfG (oder ggf. einer spezialgesetzlichen Regelung) dar.
Der Widerruf wegen Auflagenverstoß steht im Ermessen der Behörde. Ein solcher Widerruf kann grundsätzlich bei jedem und nicht nur bei einem besonders schweren Vergaberechtsverstoß erfolgen. Vereinzelt werden allerdings qualifizierte Vergaberechtsverstöße gefordert (etwa in den ANBest-P von Hessen). Auch auf das Verschulden des Empfängers oder die Wirtschaftlichkeit der Auftragsvergabe kommt es grundsätzlich nicht an. Auf der Rechtsfolgenseite zwingen die haushaltsrechtlichen Gründe der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit die Behörde regelmäßig zum Widerruf. Lediglich besondere Anhaltspunkte können Anlass geben, in der Verhältnismäßigkeitsprüfung ausnahmsweise zu einem anderen Ergebnis zu kommen.
Im Grundsatz gilt daher: Sofern die vergaberechtskonforme Verwendung der Fördermittel nicht nachgewiesen werden kann, besteht die Gefahr der Rückforderung der Zuwendungen nebst Zinsen.
Fazit
Auch private Krankenhausträger können über die ANBest-P der Länder an die Einhaltung vergaberechtlicher Bestimmungen gebunden werden. Um Rückforderungen zu vermeiden, ist privaten Krankenhausbetreibern zu empfehlen, sich mit den sehr unterschiedlich und teils durch Verweistechniken auf andere Landesgesetze und Runderlässe komplex ausgestalteten ANBest-P des jeweiligen Landes und den insofern geltenden Vergabegesetzen detailliert auseinanderzusetzen sowie ggf. qualifizierte Beratung in Anspruch zu nehmen.
Öffentlichen Krankenhausträgern ist zu raten, das Verhältnis zwischen den über die ANBest-P der Länder geltenden Bestimmungen und dem allgemeinen Vergaberecht zu klären, um die richtigen Bestimmungen einzuhalten. Bei Zweifeln sollte auch hier auf eine Rechtsberatung zurückgegriffen werden. Das gilt umso mehr, wenn (private oder öffentliche) Krankenhausträger für ihre Krankenhäuser Zuwendungsbescheide erhalten, die unterschiedliche Nebenbestimmungen enthalten. Ob in einem solchen Fall bei einer gemeinsamen Beschaffung den strengeren Regeln zu folgen ist (und welche das sind), bedarf eingehender Prüfung. In jedem Fall sollten vergaberechtliche Vorgaben von Beginn an eingehalten und dokumentiert werden.
BLOMSTEIN verfolgt die vergaberechtlichen Auswirkungen des KHZG und deren Folgen für Krankenhausbetreiber stetig. Dr. Pascal Friton, Dr. Tobias Ackermann und Dr. Christopher Wolters stehen Ihnen für Fragen jederzeit gern zur Verfügung.