Vergabe von Rettungsdienstleistungen: OLG Düsseldorf legt EuGH hoch umstrittene Rechtsfragen vor
BLOMSTEIN erringt für die Falck-Gruppe einen wichtigen Erfolg vor dem OLG Düsseldorf. Zur endgültigen Klärung umstrittener und grundsätzlicher Rechtsfragen im Bereich der Vergabe von Rettungsdienstleistungen hat der Vergabesenat dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) mit Beschluss vom 12. Juni 2017 (Az. VII Verg 34/16) mehrere Fragen zur Auslegung des EU-Vergaberechts vorgelegt. Die Antworten des EuGH werden den Markt für Rettungsdienstleistungen grundlegend beeinflussen. Es geht letztlich um die Frage, ob private Dienstleister in Deutschland auch künftig eine realistische Chance auf einen fairen Wettbewerb um öffentliche Aufträge haben.
Die vergaberechtliche Spezialmaterie der Beschaffung von Rettungsdienstleistungen hat die Nachprüfungsinstanzen und den EuGH in den vergangenen Jahren bereits vielfach beschäftigt. Die wirtschaftliche Relevanz dieses Sektors ist ganz erheblich. Nach Schätzungen geht es jährlich um öffentliche Aufträge im Gesamtwert von 500 Millionen Euro. Einzelaufträge von größeren Städten erreichen in der Regel zweistellige Millionenbeträge: So beabsichtigt etwa die Stadt Köln, in einer Ausschreibung, die derzeit ebenfalls von der Falck-Gruppe vor den Vergabenachprüfungsinstanzen angegriffen wird, einen 50-Millionen-Euro-Auftrag ohne Durchführung eines GWB-Vergabeverfahrens und unter Ausschluss privater Rettungsdienstunternehmen zu vergeben.
Die Rechtsfragen, die das OLG Düsseldorf dem EuGH nun mit seinem Beschluss vom 12. Juni 2017 vorgelegt hat, gehören zu den umstrittensten des im Jahr 2016 reformierten Vergaberechts: § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB enthält eine völlig neue Bereichsausnahme für bestimmte Dienstleistungen im Bereich des Katastrophenschutzes, die von „gemeinnützigen Organisationen“ erbracht werden. Nahezu jedes Wort dieser Vorschrift ist umstritten. Zudem stellen sich schwierige Rechtsfragen im Verhältnis zum EU-Primärrecht.
Im vorliegenden Verfahren hatte die Stadt Solingen – wie inzwischen auch verschiedene andere Städte und Gemeinden vor allem in NRW – trotz dieser Rechtsunsicherheiten das Vergabeverfahren auf bestimmte Hilfsorganisationen beschränkt. Dagegen wehrte sich die Falck-Unternehmensgruppe vor den Nachprüfungsinstanzen. Das OLG Düsseldorf hat dem EuGH nun mehrere Fragen zur Auslegung des § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB vorgelegt, die für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich sind. Unter anderem möchte das Gericht mit Blick auf die in Deutschland im Rettungsdienst tätigen Hilfsorganisationen wissen, welche Anforderungen die EU-Vergaberichtlinie 2014/24/EU an „gemeinnützige Organisationen“ stellt.
Erst nach Beantwortung dieser Frage wird das OLG Düsseldorf entscheiden können, ob die deutschen Hilfsorganisationen – wie von § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB gefordert – gemeinnützig im unionsrechtlichen Sinne sind. Das OLG Düsseldorf deutet in diesem Zusammenhang auch an, dass es die diesbezügliche Umsetzung der EU-Richtlinie in nationales Recht für unzureichend hält. Denn bisher verweist der nationale Gesetzgeber in § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB lediglich darauf, dass Vereinigungen, die nach Bundes- oder Landesrecht als Zivil- oder Katastrophenschutzorganisationen anerkannt sind, gemeinnützige Organisationen im Sinne der Vorschrift seien, ohne dass die entsprechenden Bundes- und Landesgesetze eine Aussage zur Gemeinnützigkeit der anerkannten Zivil- und Katastrophenschutzorganisationen enthalten.
Die Falck-Unternehmensgruppe ist mit rund 2.500 Mitarbeitern und 470 Fahrzeugen an über 60 Wachen in acht Bundesländern das größte private Rettungsdienstunternehmen Deutschlands. Die Falck-Gruppe wird bei BLOMSTEIN von Dr. Pascal Friton, Dr. Max Klasse, Dr. Hans-Joachim Prieß und Dr. Florian Wolf im Vergabe- und Kartellrecht beraten.