Was lange währt, wird endlich gut? – BMWi legt Gesetzesentwurf für „Wettbewerbsregister“ vor
Die Idee eines bundesweiten Korruptionsregisters geistert schon seit Jahren durch die Vergaberechtswelt. Nun scheint das BMWi tatsächlich ernst zu machen: Am 20. Februar 2017 stellte es den Referentenentwurf für ein Gesetz zur Einführung eines Wettbewerbsregisters (WRegG-E) vor. Nach dem Entwurf soll das Register ab 2019 eingerichtet werden. Eintragungsfähig sind verschiedene Wirtschaftsstraftaten und -ordnungswidrigkeiten. Die zuständige Registerbehörde soll darüber hinaus entscheiden, ob ein Unternehmen hinreichende Selbstreinigungsmaßnahmen durchgeführt hat und sich wieder an Vergabeverfahren beteiligen kann. Auftraggeber sollen – nicht nur im Oberschwellenbereich – dazu verpflichtet werden das Register vor jeder Vergabe eines öffentlichen Auftrags zu konsultieren und können auf dieser Grundlage belastete Unternehmen rechtssicherer ausschließen. Die Umsetzung des Gesetzesentwurfs hätte weitreichende Auswirkungen auf die vergaberechtliche Praxis.
Was wird eingetragen?
Eintragungsrelevant sind nur solche rechts- oder bestandskräftig festgestellten Delikte, die als zwingende oder fakultative Ausschlussgründe nach § 123 GWB und § 124 GWB in Betracht kommen (§ 2 Abs. 1 und 2 WRegG). Praktisch relevant sind vor allem Korruptions-, Steuer- und Geldwäschedelikte sowie nach § 298 StGB strafbare Submissionsabsprachen und Kartellverstöße. Geldbußen der Europäischen Kommission wegen Kartellrechtsverstößen sind allerdings ebenso wie Verurteilungen im Ausland nicht eintragungsfähig. Das lässt sich derzeit allerdings auch praktisch kaum anders bewerkstelligen. Denn die Pflicht zur Übermittlung einer rechts- oder bestandskräftigen Entscheidung trifft naturgemäß nur die zur Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten berufenen Behörden in Deutschland (§ 4 WRegG-E). Ebenso wenig erfasst sind die nicht-zwingenden Ausschlussgründe, die nicht zwingend an eine rechts- bzw. bestandskräftige Entscheidung anknüpfen, wie z.B. die Ausschlussgründe der schweren beruflichen Verfehlung und vertragliche Schlechtleistungen.
Wer wird eingetragen?
In das Register werden ausschließlich Unternehmen eingetragen. Mangels ihrer strafrechtlichen Verantwortlichkeit in Deutschland sind daher unmittelbar nur ihnen gegenüber ergangene Bußgeldbescheide für das Register relevant. Allerdings kann auch die Verurteilung von Mitarbeitern zu einer Eintragung in das Register führen. Das gilt nicht nur bei einer Verurteilung von Leitungspersonal, sondern auch bei allen anderen Mitarbeitern, wenn beim Leistungspersonal ein Aufsichts- und Organisationsverschulden i. S. v. § 130 OWiG vorliegt (§ 2 Abs. 3 Nr. 2 WRegG-E). Letzteres geht über die Zurechnungsregelungen im neuen GWB hinaus. Eine Zurechnung von Rechtsverstößen im Konzern ist nach der Gesetzesbegründung zwar nicht vorgesehen, sie ist nach dem Wortlaut der Regelung jedoch zumindest in Fällen der Personenidentität auf Leitungsebene denkbar. Diese und andere sich im Rahmen der Zurechnung stellenden – teilweise sehr komplizierten – Fragen müssen dabei wohl in einem ersten Schritt von der meldenden Behörde festgestellt werden (vgl. § 4 S. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 7 WRegG-E).
Welche Konsequenzen hat eine Eintragung?
Der Gesetzesentwurf statuiert eine Pflicht der öffentlichen Auftraggeber, Sektorenauftraggeber und Konzessionsgeber, das Register vor Erteilung des Zuschlags zu konsultieren. Die Konsultationspflicht besteht bei sämtlichen Vergabeverfahren ab einem Volumen von 30.000 Euro und nicht nur oberhalb der EU-Schwellenwerte (§ 6 Abs. 1 WRegG-E). Die Prüfung, ob ein Unternehmen auszuschließen ist, obliegt allerdings weiterhin dem einzelnen Auftraggeber (§ 6 Abs. 4 WRegG-E). Dieser muss also stets prüfen, ob hinsichtlich der zwingenden Ausschlussgründe Ausnahmen vorliegen. Hinsichtlich der nicht-zwingenden Ausschlussgründe muss er sein Ausschlussermessen ausüben. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass ein der Eintragung zugrundeliegender Sachverhalt nicht mehr zum Nachteil des selbstgereinigten Unternehmens gewertet werden darf, nachdem ein Eintrag aus dem Register gelöscht worden ist (§ 7 Abs. 2 WRegG-E).
Wann wird die Eintragung gelöscht?
Unternehmen, bei denen Ausschlussgründe vorliegen, dürfen dann nicht von Vergabeverfahren ausgeschlossen werden, wenn sie von der Möglichkeit zur Selbstreinigung nach § 125 GWB Gebrauch gemacht haben. Ein selbstgereinigtes Unternehmen kann nach dem Gesetzesentwurf jederzeit die vorzeitige Löschung aus dem Register beantragen (§ 8 Abs. 1 WRegG-E). Der Nachweis der Selbstreinigung musste bislang hingegen im Rahmen jedes Vergabeverfahrens erneut geführt werden. Auf Antrag prüft die Registerbehörde nun umfassend und selbstständig, ob die durchgeführten Selbstreinigungsmaßnahmen § 125 GWB entsprechen. Hält die Registerbehörde die Selbstreinigung für ausreichend, löscht sie den Eintrag. Lehnt sie den Antrag ab, kann das Unternehmen jederzeit erneut die (vorzeitige) Löschung beantragen. Erfolgt keine vorzeitige Löschung, werden die Einträge nach drei oder fünf Jahren aus dem Register gelöscht (§ 7 Abs. 1 WRegG-E).
Die Registerbehörde speichert zudem die Nachweise einer erfolgten Selbstreinigung, die ihr von einem eingetragenen Unternehmen übermittelt worden sind (§ 3 Abs. 2 WRegG-E). Hat die Registerbehörde über den Antrag auf Löschung noch nicht oder nicht positiv entschieden oder wurde dieser überhaupt nicht gestellt, erhält jeder öffentliche Auftraggeber, der eine Auskunft über das betreffende Unternehmen einholt, mit dem Registereintrag zugleich die eingereichten Nachweise über die Selbstreinigung. Der öffentliche Auftraggeber beurteilt in diesem Fall weiterhin selbstständig, ob die durchgeführten Selbstreinigungsmaßnahmen ausreichend waren. Praktisch relevant wird diese Regelung insbesondere in der Zeit zwischen Antrag auf Löschung und Abschluss der entsprechenden Prüfung durch die Registerbehörde.
Schließlich können auch unrichtigerweise eingetragene Unternehmen gegen die Eintragung vorgehen, indem sie darlegen, dass die Eintragung unrichtig ist. Ist die Stellungnahme „schlüssig“, versieht die Registerbehörde den Eintrag mit einem sog. Sperrvermerk (§ 5 Abs. 2 WRegG-E). Bis die Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Eintragung geklärt ist, erhalten öffentliche Auftraggeber daraufhin keine andere Information über die Eintragung, als dass ein Sperrvermerk vorliegt. Praktische Relevanz dürfte diese Vorschrift vor allem hinsichtlich der komplizierten Zurechnungsfragen erlangen.
Wie ist der Rechtschutz ausgestaltet?
Hinsichtlich des Rechtsschutzes gegen Entscheidungen der Registerbehörde regelt § 10 WRegG-E nur, dass der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet ist. Die Rechtswegzuständigkeit der Verwaltungsgerichte führt dazu, dass neben den Vergabekammern und den ordentlichen Gerichten ein dritter Gerichtszweig regelmäßig mit den Vorschriften des Vergaberechts befasst wird. Dies kann z.B. bei der Überprüfung von Selbstreinigungsmaßnahmen zur parallelen Befassung der Vergabekammern und der Verwaltungsgerichte führen.
Es bleibt abzuwarten, inwieweit sich der Entwurf im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens verändern wird. BLOMSTEIN wird die weiteren Entwicklungen beobachten und über sie informieren. Wenn Sie Fragen zu den potenziellen Auswirkungen des Gesetzesvorhabens auf Ihr Unternehmen oder Ihre Branche haben, stehen Ihnen Dr. Roland M. Stein und Dr. Pascal Friton jederzeit gern zur Verfügung.