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EU-UK Handels- und Kooperationsabkommen (TCA): Governance, Streitbeilegung, Rechtsdurchsetzung

Vier Jahre nach dem Brexit-Referendum haben sich die EU und das Vereinigte Königreich auf das EU-UK Trade and Cooperation Agreement (TCA), das das Brexit Withdrawal Agreement ergänzt, geeinigt. BLOMSTEIN präsentiert in einer mehrteiligen Serie die wichtigsten Inhalte des neuen Handelsabkommens. In Teil 1 haben wir die Implementierung und substantielle Änderungen im Verhältnis EU-UK betrachtet. Teil 2 fokussierte sich auf den in der Praxis so relevanten Güter- und Warenverkehr. Teil 3 betrachtete eine Vielzahl von Bereichen von Dienstleistungen über digitalen Handel, Energie und das „Level-Playing Field“. Teil 4 analysierte u.a. Verkehr und Luftfahrt, Fischerei, Zusammenarbeit im Bereich soziale Sicherheit und die Freizügigkeit. Teil 5 befasst sich nun mit den Governance-Strukturen, der Streitbeilegung und Durchsetzung des Abkommens im Rahmen der nationalen Gerichtsbarkeit und des EuGH.

Governance-Strukturen

Teil 1 Titel III konstituiert den institutionellen Rahmen des Abkommens. Neben einem gemeinsamen Partnerschaftsrat sollen durch das Abkommen verschiedene Ausschüsse, Arbeits- und Beratungsgruppen, eine Parlamentarische Partnerschafts-versammlung sowie ein sog. Civil Society Forum geschaffen werden, deren Zusammenspiel die Einhaltung, Umsetzung und einheitliche Auslegung des Abkommens sicherstellen soll.

Der Partnerschaftsrat setzt sich aus Repräsentanten der EU und des Vereinigten Königreichs zusammen. Er hat die Befugnis, Beschlüsse in allen Angelegenheiten zu fassen, in denen das Abkommen oder ergänzende Vereinbarungen dies vorsehen (Art. INST.1 Nr. 4 EU-UK-FTA-E). Die vom Partnerschaftsrat getroffenen Beschlüsse sind für die Vertragsparteien und für alle im Rahmen des Abkommens eingesetzten Gremien – einschließlich des durch das Abkommen institutionalisierten Schiedsgerichts – verbindlich. Darüber hinaus kann er Empfehlungen an die Parteien hinsichtlich der Umsetzung und Anwendung des Abkommens aussprechen und durch Beschluss Änderungen des Abkommens oder einer Zusatz-vereinbarung vornehmen. Die Empfehlungen haben aber keine bindende Wirkung. Zum Zwecke der einheitlichen Anwendung und Auslegung des Abkommens erörtert der Partnerschaftsrat zudem alle im Zusammenhang mit dem Abkommen oder ergänzenden Vereinbarungen aufkommenden Fragen.

Der Partnerschaftsrat kann Befugnisse und Zuständigkeiten an den Handelspartnerschaftsausschuss („Trade Partnership Committee“) delegieren sowie Fachausschüsse für Handel und Sonderausschüsse einsetzen oder eben diese ggf. auflösen. Der Handelspartnerschafts-ausschuss unterstützt den Partnerschaftsrat bei der Erfüllung seiner Aufgaben, überwacht die Durchführung des Abkommens sowie die Fachausschüsse für Handel und hat die Befugnis, Arbeitsgruppen einzusetzen, zu beaufsichtigen, zu koordinieren und aufzulösen.

Das Abkommen institutionalisiert eine Reihe von weiteren Ausschüssen (Art. INST.2 Nr. 1 EU-UK-FTA-E). Sie werden einerseits beratend sowie zur Unterstützung des Handelspartnerschafts-ausschusses tätig. Zudem kommt ihnen auch eine Überwachungs-funktion hinsichtlich der Durchführung und des Funktionierens des Abkommens und ergänzender Vereinbarungen zu. Die Arbeitsgruppen unterstützen die Ausschüsse unter ihrer Aufsicht bei der Erfüllung ihrer Aufgaben und bereiten insbesondere ihre Arbeit vor.

Ferner können das Europäische Parlament und das Parlament des Vereinigten Königreichs eine Parlamentarische Partnerschaftsversammlung aus ihren jeweiligen Mitgliedern zusammensetzen (Art. INST.5 EU-UK-FTA-E). Diese ist als parlamentarisches Kontrollorgan über die Beschlüsse und Empfehlungen des Partnerschaftsrates zu unterrichten. Der Parlamentarischen Partnerschaftsversammlung steht es in diesem Zusammenhang jedoch lediglich zu, unverbindliche Empfehlungen an den Partnerschaftsrat zu richten.

Fragen, die zum Abkommen oder zu ergänzenden Vereinbarungen aufkommen, sollen künftig mindestens einmal im Jahr mit neu eingerichteten oder bereits bestehenden Beratungsgruppen der Vertragsparteien – unter anderem bestehend aus unabhängigen zivilgesellschaftlichen Organisationen, Wirtschafts- und Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften – erörtert werden (sog. „Domestic Advisory Groups“). Die von den Beratungsgruppen vorgelegten Ansichten und Empfehlungen sollen sodann von jeder Vertragspartei berücksichtigt werden (Art. INST. 7 Nr. 1 und 2 EU-UK-FTA-E).

Schlussendlich sieht Art. INST. 8 EU-UK-FTA-E die Einrichtung eines sog. Civil Society Forum vor. Es soll einen gesellschaftlichen Dialog über die Implementierung des zweiten Teils des Abkommens (Handel, Transport, Fischerei und andere Vereinbarungen) ermöglichen und, vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen der Vertragsparteien, mindestens einmal im Jahr zusammentreten.

Streitbeilegung

Der in Teil 6 Titel I des EU-UK-FTA-E vorgesehene Streitbeilegungs-mechanismus zielt darauf ab, Streitigkeiten zwischen den Vertragsparteien über die Auslegung und Anwendung des Abkommens und ergänzender Vereinbarungen zu vermeiden und beizulegen, um nach Möglichkeit eine einvernehmliche Lösung zu erreichen. Nach Art. INST.13 EU-UK-FTA-E sollen die Vertragsparteien daher zunächst in dem Fall, dass eine Vertragspartei („the complaining Party“) der Auffassung ist, die andere Vertragspartei („the respondent Party“) habe eine Verpflichtung aus dem Abkommen oder einer Zusatzvereinbarung verletzt, einander mit dem Ziel konsultieren, eine einvernehmliche Lösung zu erreichen.

Antwortet die Vertragspartei („the respondent Party“) nicht innerhalb von 10 Tagen nach Zustellung des Konsultationsersuchens, findet die Konsultation nicht innerhalb der Frist statt. Vereinbaren die Vertragsparteien, keine Konsultation abzuhalten oder wird die Konsultation abgeschlossen, ohne dass sie eine einvernehmliche Lösung ergab, kann die sich beschwerende Vertragspartei schriftlich die Einsetzung eines Schiedsgerichts beantragen (Art. INST.14 Nr. 1 und 2 EU-UK-FTA-E). Das beantragte Schiedsgericht wird aus drei Schiedsrichtern zusammengestellt. Über die Zusammensetzung des Schiedsgerichts einigen sich entweder die Vertragsparteien oder aber sie wird nach Ablauf der vorgesehenen Frist durch Losentscheid des Co-Vorsitzenden des Partnerschaftsrates der sich beschwerenden Vertragspartei aus den Listen der Vertragsparteien gewählt. Gleiches gilt für die Bestimmung des Vorsitzenden Schiedsrichters. Der Tag, an dem der letzte Schiedsrichter seine Wahl gegenüber den Vertragsparteien akzeptiert, ist als Datum der Einsetzung des Schiedsgerichts anzusehen.

Das Schiedsgericht nimmt sodann eine objektive Beurteilung der in Rede stehenden Angelegenheit vor und legt seinen Entscheidungen und Beschlüssen tatsächliche wie rechtliche Feststellungen zugrunde. Es soll sich regelmäßig mit den Vertragsparteien beraten und angemessene Möglichkeiten für die Erarbeitung einer einvernehmlichen Lösung bieten (Art. INST.17 lit. (c ) EU-UK-FTA-E). Innerhalb von 100 Tagen nach der Einsetzung des Schiedsgerichts wird den Vertragsparteien ein Zwischenbericht vorgelegt, zu dem jede Vertragspartei das Schiedsgericht schriftlich innerhalb von 14 Tagen ab Zustellung ersuchen kann, bestimmte Aspekte des Zwischenberichtes zu überprüfen (Art. INST.20 Nr. 1 und 2 EU-UK-FTA-E). Wird ein solches Ersuchen nicht übermittelt, so wird der Zwischenbericht des Schiedsgerichts zur Entscheidung.

Das Schiedsgericht stellt den Vertragsparteien seine Entscheidung innerhalb von 130 Tagen nach der Einsetzung des Schiedsgerichts zu. Es enthält die Erörterung aller schriftlichen Anträge der Vertragsparteien und geht auf deren Stellungnahmen ein. Stellt das Schiedsgericht fest, dass eine Vertragspartei eine Verpflichtung aus dem Abkommen oder einer ergänzenden Vereinbarung verletzt hat, so hat die jeweilige Vertragspartei die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um der Entscheidung des Schiedsgerichts und den Bestimmungen des Abkommens zu entsprechen (Art. INST.21 EU-UK-FTA-E). Die Vertragspartei hat die ergriffene Maßnahme oder die, die sie beabsichtigt, zu ergreifen, innerhalb von 30 Tagen nach Zustellung des Schiedsspruches der klagenden Vertragspartei zu übermitteln. Besteht Uneinigkeit über die Existenz einer solchen Maßnahme oder über deren Übereinstimmung mit den Vorgaben des Schiedsgerichts und des Abkommens, kann die klagende Partei das Schiedsgericht schriftlich um Entscheidung in dieser Sache ersuchen.

Darüber hinaus besteht auch die Möglichkeit eines vorläufigen Ausgleichs (bspw. im Wege einer Ausgleichszahlung) der Verletzung durch die beklagte Vertragspartei, sofern es ihr nicht möglich ist, dem Schiedsspruch zu entsprechen (Art. INST.24 EU-UK-FTA-E). Die beklagte Vertragspartei hat dann der klagenden Vertragspartei alle nach Anwendung des vorläufigen Ausgleichs ergriffenen Maßnahmen zu notifizieren. Die beklagte Vertragspartei kann sodann innerhalb von 30 Tagen seit der Notifizierung der Maßnahmen die Anwendung des vorläufigen Ausgleichs beenden. Erzielen die Vertragsparteien innerhalb von 30 Tagen nach Zustellung der Notifizierung der Maßnahme keine Einigung darüber, ob die beklagte Vertragspartei nun ihren Verpflichtungen nachkommt, kann die klagende Vertragspartei das Schiedsgericht schriftlich ersuchen, darüber zu entscheiden (Art. INST.25 Nr. 2 EU-UK-FTA-E). Je nach Entscheidung des Schiedsgerichts wird der Ausgleich sodann beendet oder aber die Höhe des Ausgleichs angepasst.

Durchsetzung des Abkommens im Rahmen der nationalen Gerichtsbarkeit und des EuGH

Angesichts der jahrelangen kritischen Position des Vereinigten Königreichs gegenüber dem EuGH überrascht es wenig, dass dem Gerichtshof keinerlei Kompetenzen im Rahmen des Kooperationsabkommens anvertraut werden. Dessen Aufgaben der Konfliktlösung übernehmen in diesem Kontext fortan die hierfür einzusetzenden Schiedsgerichte. Für Unternehmen bedeutet dies, dass sie künftig nicht mehr selbst gegen aus ihrer Sicht rechtswidrige Maßnahmen vorgehen dürfen, sondern auf die Unterstützung der EU bzw. des Vereinigten Königreiches als Völkerrechtssubjekte angewiesen sind. Auch die nationalen Gerichte spielen im Abkommen nur eine begrenzte Rolle. So sieht das Abkommen vor, dass im Bereich der non-regression natio-nale behördliche oder gerichtliche Verfahren vorzusehen sind (Art. 7.5 Nr. 2 EU-UK-FTA-E). Gleiches gilt im Bereich der Sozialversicherung (Art. SSC.67 Nr. 2 EU-UK-FTA-E).

BLOMSTEIN verfolgt die außenwirtschaftsrechtlichen Auswirkungen des neuen Freihandelsabkommens mit dem Vereinigten Königreich und deren Auswirkungen auf Unternehmen. Dr. Roland M. Stein und Dr. Leonard von Rummel stehen Ihnen hierfür jederzeit gern zur Verfügung.