Foreign Subsidies Regulation – auf die Plätze, fertig, los
Am 28. November 2022 hat der Rat die Verordnung über den Binnenmarkt verzerrende drittstaatliche Subventionen (die sog. Foreign Subsidies Regulation – FSR) angenommen. Die verabschiedete Fassung entspricht weitgehend der vorläufigen Einigung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2022. Die FSR wird voraussichtlich noch dieses Jahr, nämlich 20 Tage nach der Veröffentlichung im Amtsblatt der EU, in Kraft treten. Während ein Großteil der materiellen Vorschriften bereits sechs Monate nach Inkrafttreten unmittelbar anwendbar sein wird, werden die neuen Anmeldepflichten für Zusammenschlüsse sowie die Meldepflichten bei der Beteiligung an öffentlichen Ausschreibungen erst neun Monate nach Inkrafttreten gelten, d.h. voraussichtlich zu Beginn des vierten Quartals 2023.
Die FSR verleiht der EU-Kommission neue Befugnisse, um gegen wettbewerbsverzerrende Subventionen von Drittstaaten vorzugehen, die den Wettbewerb bei die Unternehmenskäufe in der EU oder öffentlichen Vergabeverfahren in der EU beeinträchtigen können. Damit wird eine weitere Ebene der behördlichen Kontrolle eingeführt, die sämtliche in der EU tätige Unternehmen von nun an beachten müssen.
BLOMSTEIN hat die Entstehung der FSR vom Weißbuch der Kommission bis zum finalen Verordnungstext verfolgt (siehe BLOMSTEIN Briefing aus September 2020, Briefing aus Mai 2021 und Briefing aus Juli 2022). Dieses Briefing fasst die wichtigsten Bestimmungen der FSR zusammen.
Anwendungsbereich der FSR
Eine drittstaatliche Subvention ist eine finanzielle Zuwendung eines Nicht-EU-Staates, die einem in der EU tätigen Unternehmen einen Vorteil verschafft, der “selektiv” ist, d.°h. sich auf ein oder mehrere Unternehmen oder Wirtschaftszweige beschränkt. Dies umfasst auch finanzielle Zuwendungen, die an öffentliche Unternehmen geleistet werden, sowie solche, die zwar von privaten Unternehmen stammen, aber Drittstaaten zuzurechnen sind. Während die FSR hauptsächlich auf subventionierte Investoren aus Nicht-EU-Ländern und Staatsunternehmen aus staatlich gelenkten Volkswirtschaften abzielt, gelten die neuen Regeln unterschiedslos für alle Unternehmen, die in der EU tätig sind.
Beispiele für finanzielle Zuwendungen sind zinslose Darlehen, Finanzierungen unterhalb der Gestehungskosten, unbegrenzte Garantien, Kapitalzuführungen, Umschuldungen, Steuervergünstigungen und Steuergutschriften.
Die drei Säulen der FSR
Die FSR stattet die Kommission mit drei neuen Instrumenten aus, um verzerrenden drittstaatlichen Subventionen wirksam entgegenzutreten. Das umfasst eine Anmeldepflicht für bestimmte Zusammenschlüsse, eine Meldepflicht für die Beteiligung an öffentlichen Vergabeverfahren sowie ein Ex-Officio-Instrument für die Prüfung aller übrigen Marktsituationen von Amts wegen.
Anmeldepflicht für Zusammenschlüsse
Zusammenschlüsse lösen eine Pflicht zur vorherigen Anmeldung aus, wenn zwei kumulative Schwellenwerte erreicht werden:
Der Gesamtumsatz von mindestens einem der fusionierenden Unternehmen, des erworbenen Unternehmens oder des Gemeinschaftsunternehmens mit Sitz in der EU übersteigt EUR 500 Mio. innerhalb der EU; und
die an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen haben in den letzten drei Geschäftsjahren vor dem Zusammenschluss gemeinsam mehr als EUR 50 Mio. an finanziellen Zuwendungen erhalten.
Die Kommission schätzt, dass “nur” ca. 40 bis 50 Transaktionen pro Jahr die obigen Umsatzschwellen erreichen und nur ein Bruchteil davon auch die weiteren Voraussetzungen erfüllen, die eine Anmeldepflicht nach der FSR auslösen. Aufgrund der weit gefassten Formulierung des Begriffs der finanziellen Zuwendung wird es in der Praxis jedoch schwierig sein, mit ausreichender Rechtssicherheit diejenigen Fälle herauszufiltern, die zwar die Umsatzschwelle erreichen, aber keine Anmeldung oder Ex-Officio-Prüfung erfordern, weil die ausländische finanzielle Zuwendung EUR 50 Mio. nicht übersteigt.
Bei Vorliegen der Anmeldepflicht darf der Zusammenschluss so lange nicht vollzogen werden, bis eine Freigabe durch die Kommission erfolgt ist (Vollzugsverbot). Obwohl die in der FSR vorgesehenen Prüffristen an die Fristen der EU-Fusionskontrollverordnung (FKVO) angelehnt sind, laufen die Verfahren nach FSR und FKVO getrennt voneinander. Stellt die Kommission fest, dass eine im Rahmen des Zusammenschlusses gewährte drittstaatliche Subvention den Binnenmarkt verzerrt, kann sie Parteien auffordern, die Verzerrung zu beseitigen oder andernfalls den Vollzug des Zusammenschlusses untersagen.
Meldepflicht in öffentlichen Vergabeverfahren
Für Angebote in öffentlichen Vergabeverfahren gilt eine Pflicht zur vorherigen Meldung, wenn
der geschätzte Wert des Vergabeverfahrens mindestens EUR 250 Mio. beträgt; und
dem Bieter, seinem Konzern/Verbund oder seinen wichtigsten Unterauftragnehmern/Lieferanten insgesamt eine finanzielle Zuwendung von mindestens EUR 4 Mio. aus einem einzelnen Drittstaat gewährt wurde.
Für den Fall von öffentlichen Aufträgen, die in Losen vergeben werden, wird die Meldepflicht ausgelöst, wenn der Wert des Loses oder der Gesamtwert aller Lose, für die sich der Bieter bewirbt, mindestens EUR 125 Mio. betragen.
Bei Vorliegen einer Meldepflicht darf der betreffende Bieter den Zuschlag erst nach Freigabe durch die Kommission erhalten. Falls die Kommission der Auffassung ist, dass der Bieter von verzerrenden drittstaatlichen Subventionen profitiert, kann sie die Vergabe des Auftrags an diesen Bieter untersagen.
Ex-Officio-Prüfinstrument
Das allgemeine Ex-Officio-Prüfinstrument ermöglicht es der Kommission, alle Marktsituationen, einschließlich Zusammenschlüsse und öffentliche Aufträge, auch unterhalb der Umsatzschwellen zu untersuchen, wenn sie eine verzerrende drittstaatliche Subvention vermutet. In diesen Fällen kann die Kommission von Amts wegen Untersuchungen einleiten und Anmeldungen von den Unternehmen fordern. Sie kann Auskünfte der betroffenen Unternehmen einholen und sogar Nachprüfungen vor Ort durchführen. In Fällen, in denen es nicht möglich ist, alle erforderlichen Informationen zu sammeln, z. B. bei Unternehmen mit Sitz außerhalb der EU, kann die Kommission den Fall auf Grundlage der ihr verfügbaren Informationen entscheiden.
Zweistufiges Untersuchungsverfahren
Zur Prüfung der verzerrenden Wirkung einer drittstaatlichen Subvention sieht die FSR ein zweistufiges Verfahren vor. Auf die Vorprüfung folgt in einem zweiten Schritt, bei Hinweisen auf das Vorliegen einer verzerrenden Subvention, eine eingehende Prüfung.
Erster Schritt – Vorprüfung
Im ersten Schritt prüft die Kommission, ob eine drittstaatliche Subvention vorliegt, die verzerrend für den Binnenmarkt sein könnte. Zu diesem Zweck sieht die FSR eine Reihe von Kategorien und Indikatoren vor, die nach Wahrscheinlichkeiten geordnet sind.
Zu den Kategorien, bei denen sehr wahrscheinlich eine verzerrende Wirkung vorliegt, gehören unter anderem (i) Subventionen für ein notleidendes Unternehmen ohne Umstrukturierungsplan, (ii) unbegrenzte Garantien hinsichtlich Höhe oder Laufzeit für Schulden oder Verbindlichkeiten des Unternehmens, (iii) Exportfinanzierungsmaßnahmen, die nicht mit dem OECD Übereinkommen über Leitlinien für öffentlich unterstützte Exportkredite in Einklang stehen, (iv) Subventionen, die einen Zusammenschluss unmittelbar erleichtern, und (v) Subventionen, die die Abgabe eines ungerechtfertigt günstigen Angebots im Rahmen eines öffentlichen Vergabeverfahrens erleichtern.
Dagegen ist es unwahrscheinlich, dass eine drittstaatliche Subvention den Binnenmarkt verzerrt, wenn ihr Gesamtbetrag innerhalb eines Zeitraums von drei aufeinander folgenden Geschäftsjahren EUR 4 Mio. nicht überschreitet.
Zuletzt ist eine drittstaatliche Subvention nicht verzerrend, (i) wenn ihr Gesamtbetrag den Betrag einer De-minimis-Beihilfe in einem Zeitraum von drei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren nicht übersteigt (aktueller De-minimis-Betrag: EUR 200.000 je Unternehmen in einem Zeitraum von drei Geschäftsjahren bzw. EUR 100.000 je Unternehmen für den gewerblichen Güterkraftverkehr), oder (ii) wenn sie der Beseitigung von Schäden dient, die durch Naturkatastrophen oder sonstige außergewöhnliche Ereignisse entstanden sind.
In allen anderen Fällen wird die Kommission bestimmte Indikatoren berücksichtigen, wie z. B. (i) die Höhe der Subvention, (ii) die Art der Subvention, (iii) den Zweck und die Bedingungen, an die die Subvention geknüpft ist, (iv) die Situation des Unternehmens, einschließlich seiner Größe und der betroffenen Märkte oder Sektoren, und (v) den Umfang und die Entwicklung der wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmens.
Zweiter Schritt – Eingehende Prüfung
Im zweiten Schritt prüft die Kommission die möglichen positiven Auswirkungen der drittstaatlichen Subvention und wägt diese gegen die negativen Auswirkungen in Form von Verzerrungen ab (Abwägungsprüfung). Bei den positiven Auswirkungen sollen auch weitergehende positive Effekte mit Blick auf die politischen Ziele der EU berücksichtigt werden. Es wird erwartet, dass die EU-Praxis zur Vereinbarkeit staatlicher Beihilfen mit dem Binnenmarkt und die Fallpraxis als Maßstab für die Abwägungsprüfung im Rahmen der FSR dienen werden.
Da die konkrete Anwendung der Abwägungsprüfung, insbesondere die Frage, welche positiven negativen Effekte in die Abwägung eingestellt werden können, noch weitgehend unklar ist, hat die Kommission bereits zugesagt, spätestens 12 Monate nach Inkrafttreten der FSR weitere Klarstellungen zur Prüfung von Verzerrungen und zur Anwendung der Abwägungsprüfung vorzunehmen. Darüber hinaus wird sie bis zum Ablauf von drei Jahren nach Inkrafttreten weitere Leitlinien für die Anwendung der FSR veröffentlichen.
Abhilfemaßnahmen und Verpflichtungen
Wenn im Rahmen der Abwägungsprüfung die negativen Auswirkungen überwiegen, kann die Kommission Abhilfemaßnahmen auferlegen oder Verpflichtungsangebote der betroffenen Unternehmen akzeptieren, um die Verzerrung zu beseitigen.
Abhilfemaßnahmen oder Verpflichtungen können unter anderem darin bestehen, dass (i) Zugang zu einer mit Hilfe der Subvention erworbenen oder geförderten Infrastruktur angeboten wird, (ii) Kapazitäten oder die Marktpräsenz reduziert werden, (iii) auf bestimmte Investitionen verzichtet wird, (iv) Lizenzen für mithilfe drittstaatlicher Subventionen erworbener oder entwickelter Vermögenswerte zu fairen, angemessenen und diskriminierungsfreien Bedingungen (Fair, Reasonable and Non-Discriminatory – FRAND) vergeben werden, (v) Forschungs- und Entwicklungsergebnisse veröffentlicht werden, (vi) bestimmte Vermögenswerte veräußert werden, (vii) ein Zusammenschluss rückgängig gemacht wird, (viii) Subventionen zurückgezahlt werden oder (ix) die Führungsstruktur der beteiligten Unternehmen angepasst wird.
Sanktionen bei mangelnder Kooperation
Bei Nichtbeachtung der Verpflichtungen der FSR drohen erhebliche Geldbußen. Bereits in der Untersuchungsphase kann die Kommission Geldbußen und Zwangsgelder verhängen, wenn etwa ein Unternehmen vorsätzlich oder fahrlässig (i) unrichtige, unvollständige oder irreführende Angaben macht, (ii) die Angaben nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist abgibt oder (iii) eine angeordnete Nachprüfung nicht duldet.
Verstöße im Zusammenhang mit den Anmeldepflichten der FSR werden mit folgenden Geldbußen geahndet:
Geldbußen in Höhe von bis zu 1% des Gesamtumsatzes des vorangegangenen Geschäftsjahres bei (vorsätzlicher oder fahrlässiger) Angabe unzutreffender oder irreführender Angaben in der Anmeldung eines anmeldepflichtigen Zusammenschlusses; sowie
Geldbußen in Höhe von bis zu 10% des Gesamtumsatzes des vorangegangenen Geschäftsjahres bei (i) unterlassener Anmeldung eines Zusammenschlusses, der nach der FSR anmeldepflichtig ist, oder (ii) fehlender Meldung einer drittstaatlichen Subvention bei der Vergabe öffentlicher Aufträge.
Ausblick
Der finale Text der FSR enthält eine ganze Reihe unbestimmter Rechtsbegriffe, die nicht nur für drittstaatliche Investoren, sondern auch für EU-Unternehmen, die Geschäfte mit Nicht-EU-Staaten machen, zu erheblicher Rechtsunsicherheit führen. Die Kommission hat bereits zugesagt innerhalb von 12 Monaten nach Inkrafttreten der FSR erste Hinweise zur Auslegung und Anwendung der FSR, einschließlich der Abwägungsprüfung, zu veröffentlichen. Schon jetzt ist aber absehbar, dass die FSR den regulatorischen Aufwand erheblich erhöhen und die Zeitplanung von Transaktionen erschweren wird. Für die Transaktionssicherheit ist eine umfassende Erfahrung im Umgang mit parallelen Prüfverfahren und den Vorschriften über staatliche Beihilfen und Investitionskontrolle entscheidend. Investoren aus Drittstaaten aber auch aus der EU werden mehr Zeit und Aufmerksamkeit aufwenden müssen, um die regulatorischen Vollzugsbedingungen zu ermitteln.
BLOMSTEIN wird die weiteren Entwicklungen aufmerksam verfolgen und Sie auf dem Laufenden halten. Diese Zusammenfassung der finalen Vorschriften der FSR ist nur das erste Briefing in einer Reihe von BLOMSTEIN Briefings, die sich detaillierter mit den spezifischen Instrumenten der FSR, der Definition der finanziellen Zuwendung, dem Verhältnis zum WTO-Übereinkommen über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen und den Fallstricken, die bei alledem zu beachten sind, beschäftigen werden. Bei Fragen zu den möglichen Auswirkungen der FSR auf Ihr Unternehmen oder Ihre Branche im Zusammenhang mit anstehenden oder zukünftigen Transaktionen wenden Sie sich bitte an Max Klasse and Jasmin Mayerl. Bei Fragen zu den Auswirkungen auf die Vergabeverfahren kontaktieren Sie bitte Pascal Friton und Ramona Ader.