Investitionskontrolle: Die Europäische Kommission veröffentlicht die Ergebnisse ihrer Befragung zur EU-Screening Verordnung und weist auf bevorstehende Änderungen hin
Die EU-Kommission (Kommission) hat im Sommer zwecks Evaluierung der Verordnung (EU) Nr. 2019/452 (EU-Screening-Verordnung) verschiedene Interessengruppen befragt und kürzlich die Ergebnisse veröffentlicht. Die Umfrage folgt auf die kürzlich erfolgte Veröffentlichung des dritten EU-Screening Jahresberichts, worüber wir schon in einem früheren Briefing berichteten. Da die Kommission voraussichtlich bis Ende 2023 formelle Änderungen zur EU-Screening-Verordnung vorschlagen wird, geben die Ergebnisse der Umfrage sowohl über die Ansichten der verschiedenen Interessengruppen zur aktuellen Fassung der Verordnung als auch über die zukünftige Überarbeitung Aufschluss. Unter den Ergebnissen waren die folgenden zentralen Punkte:
Stetiger Nutzen und Relevanz der EU-Screening-Verordnung
Die überwältigende Mehrheit der befragten Interessengruppen, insbesondere Behörden der Mitgliedstaaten, vertrat die Auffassung, dass der Schutz der Sicherheit und der öffentlichen Ordnung vor Risiken, die von bestimmten FDI-Transaktionen ausgehen, nach wie vor von großer Bedeutung ist. Jenes Hauptziel der EU-Screening-Verordnung bewahre seine Relevanz vor allem angesichts des zunehmenden politischen Einflusses durch ausländische Investitionen in kritische Infrastrukturen und Technologien sowie in den Verteidigungssektor. Darüber hinaus stimmten die Befragten im Allgemeinen darin überein, dass der derzeitige EU-rechtliche Rahmen wirksam den Schutz vor besagten Risiken über das hinaus erhöht hat, was die einzelnen Mitgliedstaaten im Alleingang erreicht hätten. Die meisten Befragten wiesen jedoch auch darauf hin, dass der Kooperationsmechanismus der EU-Screening-Verordnung zwar die Annahme oder Modernisierung nationaler Investitionskontrollmechanismen gefördert habe, seine direkten Auswirkungen auf einzelne Screening-Entscheidungen der Mitgliedstaaten jedoch begrenzt seien. Dagegen gingen die Meinungen zu der Frage, ob der Mechanismus die Angleichung zwischen den nationalen Vorschriften erhöht habe, auseinander. Jedoch teilten die meisten Befragten die Ansicht, dass die Angleichung von verfahrenstechnischen Aspekten der nationalen Investitionskontrollmechanismen, so wie z.B. noch sehr unterschiedliche Screening-Zeitabläufe in den einzelnen Mitgliedstaaten, kaum erhöht wurde.
Wirksamkeit des derzeitigen Systems
Die meisten Befragten waren der Ansicht, dass die EU-Screening-Verordnung sowohl den Mitgliedstaaten als auch der Kommission bei der Ermittlung problematischer FDI-Transaktionen erheblich geholfen hat. Zudem wurden weder die nationalen noch die EU-Regelungen als abschreckend für ausländische Investitionen in die EU empfunden. Bemerkenswerterweise herrschte allgemeines Einvernehmen darüber, dass die Mitgliedstaaten weiterhin die Bewertungs- und Entscheidungshoheit, unter Gesichtspunkten nationaler Sicherheit, über FDI-Transaktionen in ihrem Hoheitsgebiet behalten sollten, während gleichzeitig eine enge Zusammenarbeit mit der Kommission und anderen Mitgliedstaaten gewährleistet wird. Obwohl der derzeitige EU-rechtliche Rahmen im Allgemeinen als wirksam angesehen wird, wurden bei der Umfrage einige gewichtige Probleme des Kooperationsmechanismus hervorgehoben, darunter:
Dass die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet sind, überhaupt einen Screening-Mechanismus zur Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen einzurichten, und sich daher auch dafür entscheiden können, ausländische Direktinvestitionen nicht auf ihre potenziellen Auswirkungen auf die Sicherheit und die öffentliche Ordnung zu überprüfen, wodurch einer Umgehung im EU-Binnenmarkt Tür und Tor geöffnet wird.
Die Tatsache, dass es keine allgemeine Verpflichtung für die Mitgliedstaaten gibt, FDI-Transaktionen vor deren Abschluss zu prüfen und sie sich somit dafür entscheiden können, Prüfungen erst nach Abschluss durchzuführen, was sowohl im Hinblick auf nationale Sicherheitsbedenken als auch auf die Kohärenz der nationalen Prüfungsmechanismen unangemessen erscheint.
Die Mitgliedstaaten sind aktuell nicht verpflichtet, den anderen Mitgliedstaaten und der Kommission die Ergebnisse ihrer Risikobewertungen bezüglich Beeinträchtigungen der Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung bei FDI-Transaktionen mitzuteilen.
Umstrittene Effizienz der EU-Screening-Verordnung
Die befragten Interessengruppen stimmten im Allgemeinen darin überein, dass der Verwaltungsaufwand für die an den Transaktionen beteiligten Parteien angemessen sei, wobei die Befragten aus dem Privatsektor eher dazu neigten, den Aufwand als übermäßig zu betrachten. Dagegen waren sich Behörden insgesamt einig, dass der Kooperationsmechanismus einen angemessenen Verwaltungsaufwand für die Mitgliedstaaten in Bezug auf FDI-Transaktionen mit hohem Risiko mit sich bringt. Uneinig waren sich die antwortenden Behörden jedoch bei der Bewertung des gesamten Verwaltungsaufwands, der sich aus dem Kooperationsmechanismus ergibt, wenn es um das Screening von FDI-Transaktionen aller Risikostufen geht. Teile dieses Verwaltungsaufwands wurden auch als unmittelbare Beeinträchtigung der Effizienz des Kooperationsmechanismus angesehen, so z. B. verfahrenstechnische Aspekte wie die nicht in allen Mitgliedstaaten harmonisierten Fristen für die Prüfung von FDI-Transaktionen.
(Un-)abgestimmtheit mit anderen Bereichen des EU-Rechts
Im Rahmen der Umfrage wurde auch hervorgehoben, dass die von der EU-Screening-Verordnung geforderten Screening-Verfahren nicht vollständig mit anderen Prüfungs- und Genehmigungsverfahren, wie z. B. der EU-Fusionskontrolle, in Einklang stehen. Abweichungen gäbe es demnach vor allem in Bezug auf Inhalt und Stimmigkeit der Prüfungen, zum Beispiel in Bezug auf Schlüsselbegriffe wie Sicherheit und öffentliche Ordnung oder "Kontrolle". Jedoch lässt sich die grundsätzliche Notwendigkeit einer solchen Abstimmung zwischen diesen unterschiedlichen Bereichen in Frage stellen, da ihre Ziele und Schutzgüter naturgemäß voneinander abweichen.
Mögliche bevorstehende Änderungen
Neben den schon aufgezeigten Problemen machten die befragten Interessengruppen zusätzliche Vorschläge zur Verbesserung der derzeitigen EU-Screening-Verordnung. Zur Erhöhung dessen Wirksamkeit wurde vorgeschlagen, den Anwendungsbereich der EU-Screening-Verordnung auf Transaktionen auszuweiten, bei denen der Investor zwar in der EU ansässig ist, aber letztlich von einer unionsfremden natürlichen Person oder Unternehmen kontrolliert wird. Eine solche Änderung könnte von der Kommission als direkte Reaktion auf die Einschränkungen der EU-Screening Verordnung eingeführt werden, die durch das jüngste EuGH-Urteil in der Rechtssache Xella deutlich wurden. Dort entschied das Gericht, dass die EU-Screening-Verordnung nicht auf EU-Investoren anwendbar ist, wenn keine Anhaltspunkte für eine Umgehung der Screening-Vorschriften vorliegen. Dennoch erlauben einige nationale Screening-Mechanismen, wie z. B. die deutsche Investitionskontrolle, bereits die Prüfung von FDI-Transaktionen, an denen Unionsansässige beteiligt sind, die aber letztlich von ausländischen Personen oder Unternehmen gehalten oder kontrolliert werden (unsere ausführliche Fallbesprechung finden Sie hier). Darüber hinaus wurde vorgeschlagen, eine Mindestanzahl von Sektoren festzulegen, in denen alle Mitgliedstaaten die geplanten Transaktionen prüfen müssen. Zwecks höherer Effizienz bei der Zusammenarbeit forderten die meisten Teilnehmer zusätzlich die Beschränkung der bestehenden Meldepflicht nationaler Screening-Behörden ausschließlich auf ausländische Direktinvestitionen, die bestimmte Kriterien erfüllen. Dies steht im Gegensatz zur aktuellen Pflicht alle ausländischen Direktinvestitionen, die einem Screening unterzogen werden, zu melden. Darüber hinaus sprachen sich die Befragten allgemein für mehr Transparenz und Informationen seitens der Mitgliedstaaten und der Kommission in ihren jährlichen Investitionskontrollberichten aus, insbesondere durch die Einführung gemeinsamer Mindestanforderungen an den Inhalt und die Berichtsmethodik.
Konkrete Vorschläge für Änderungen an der EU-Screening-Verordnung durch die Kommission werden noch vor Jahresende erwartet, wie der Chief Trade Enforcement Officer der Kommission, Denis Redonnet, kürzlich in einer parlamentarischen Anhörung erklärte. Die Kommission beabsichtigt im Allgemeinen, einen "less is more"-Ansatz zu verfolgen, der darauf abzielt, weniger unproblematische FDI-Transaktionen einem Screening zu unterziehen, um die Belastung der Beteiligten zu verringern und gleichzeitig sicherzustellen, dass mit hohem Risiko verbundene ausländische Direktinvestitionen nicht übersehen werden. Redonnets Äußerungen deuteten außerdem darauf hin, dass die Kommission sich wahrscheinlich direkt mit den aufgezeigten Problemen befassen und auf den Verbesserungsvorschlägen aus der Umfrage aufbauen wird. Dies könnte sich in Reformversuche niederschlagen, die darauf abzielen die Kohärenz zwischen den nationalen Investitionskontrollmechanismen weiter zu fördern, sowohl in Bezug auf die als kritisch eingestuften Sektoren als auch in Bezug auf verfahrenstechnische Aspekte wie die unterschiedlichen Verfahrensfristen.
Schließlich könnten in naher Zukunft auch weitere Entwicklungen in Bezug auf eine EU-Initiative zur so genannten Outbound-Investitionskontrolle das Licht der Welt erblicken; siehe unser früheres Briefing zu diesem Thema hier.
Schlussfolgerung
Dementsprechend ist mit einer weiteren Verschärfung der Vorschriften für ausländische Direktinvestitionen auf EU-Ebene und anschließend auf nationaler Ebene zu rechnen, wenn der geänderte EU-Rechtsrahmen letztendlich eine größere Angleichung zwischen den Mitgliedstaaten fördert. BLOMSTEIN wird die Politik der EU in Bezug auf Auslandsinvestitionen weiterverfolgen. Wenn Sie Fragen haben, zögern Sie nicht, Dr. Roland Stein und Dr. Leonard von Rummel zu kontaktieren.