Investitionskontrolle erneut verschärft – Bundeskabinett verabschiedet AWG-Novelle

08.04.2020

Schon seit Längerem forciert die Bundesregierung eine noch weitere Verschärfung der nationalen Regeln über die Investitionskontrolle. Diese ist etwa Teil der von Bundeswirtschaftsminister Altmaier im November 2019 vorgelegten Industriestrategie 2030. Parallel ist im April vergangenen Jahres die EU-Screening-Verordnung 2019/452 in Kraft getreten, die den Mitgliedstaaten erstmals verbindliche Vorgaben für einzelne Aspekte der Investitionsprüfung macht. Vor diesem Hintergrund hat das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) Ende Januar einen Entwurf für ein Gesetz zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes (AWG) vorgelegt. Diesen hat das Bundeskabinett in seiner heutigen Sitzung verabschiedet. Er wird nun das parlamentarische Verfahren in Bundestag und Bundesrat durchlaufen.

Überblick über die Änderungen

Der beschlossene Entwurf enthält drei wesentliche Verschärfungen. Die weitreichendste betrifft die Voraussetzungen für erwerbsbeschränkende Maßnahmen im Rahmen der Investitionsprüfung. Unter Anpassung an die EU-Screening-Verordnung sollen Erwerbsbeschränkungen zukünftig schon bei einer nur „voraussichtlichen Beeinträchtigung“ der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit angeordnet werden können. Bislang ist dazu eine „tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung“ erforderlich. Bei der Prüfung des so herabgesetzten Gefährdungsgrads sind zudem nicht mehr allein die Interessen der Bundesrepublik Deutschland zu berücksichtigen. Vielmehr kann das BMWi demnächst auch die Interessen der übrigen EU-Mitgliedstaaten sowie das Unionsinteresse an bestimmten Projekten und Programmen zur Rechtfertigung von Beschränkungen oder Untersagungen bei Unternehmens- und Anteilserwerben heranziehen. In der Summe beider Änderungen ergeben sich weitreichende neue Interventionsmöglichkeiten für das BMWi.

Eine zweite Verschärfung betrifft die mit der Investitionskontrolle verbundenen Rechtsfolgen für das Erwerbsgeschäft. Zukünftig sollen alle meldepflichtigen Erwerbsgeschäfte – also solche, die besonders sensible Bereiche betreffen – mit ihrem Abschluss schwebend unwirksam sein, bis das BMWi den Erwerb freigibt bzw. die Freigabe als erteilt gilt. Bisher war das nur im Verteidigungs- und Sicherheitsbereich der Fall. Flankiert wird diese Änderung durch strafbewehrte Verbotstatbestände in einem neu gefassten § 15 Abs. 4 AWG, wie sie bisher nur aus dem Fusionskontrollrecht bekannt sind. Bis zur Freigabe darf der meldepflichtige Erwerb weder rechtlich noch faktisch vollzogen werden. Verboten ist es insbesondere dem Erwerber bereits eine eigentümerähnliche Stellung im Unternehmen oder Zugang zu sicherheitssensiblen Informationen zu gewähren. Die Bundesregierung möchte so den Vollzug investitionsbeschränkender Maßnahmen effektuieren und verhindern, dass der Zweck der Investitionsprüfung durch Umgehungsstrategien vereitelt wird.

Mit einer dritten Anpassung soll schließlich die bisher im Satellitendatensicherheitsgesetz separat geregelte Prüfung ausländischer Investitionen im Bereich der Satteliten- und sonstigen Fernerkundungstechnologie in das AWG und die Außenwirtschaftsverordnung (AWV) integriert werden. Damit werden zugleich die Schutzstandards angeglichen. Diese Änderung ist wiederum vor dem EU-Interesse an gemeinsamen Satellitenprogrammen wie Galileo zu sehen.

Bewertung

Die Bundesregierung beschreitet den Weg der zunehmenden Verschärfung der Investitionskontrolle unbeirrt weiter. Ob das vom Regierungsentwurf behauptete „Augenmaß“ dabei tatsächlich gewahrt bleibt, ist fraglich. Der neue Prüfungsmaßstab einer nur „voraussichtlichen Beeinträchtigung“ ist so unbestimmt und weit, dass der Reichweite der Investitionsprüfung kaum noch Grenzen gesetzt sind. Die Attraktivität Deutschlands als Investitionsstandort scheint gegenwärtig jedenfalls keine besondere politische Priorität zu genießen.

Unternehmen müssen sich weiter auf eine zunehmende Bedeutung der Investitionskontrolle einstellen und ihre Transaktionen sorgfältig auf eine entsprechende Relevanz prüfen. Das gilt angesichts der neu eingeführten Strafandrohung ganz besonders für meldepflichtige Erwerbsgeschäfte im Sinne des § 55 Abs. 4 AWV. Um Unternehmen mehr Rechtssicherheit zu geben, sollte das BMWi die Reichweite der Meldepflicht im Rahmen der nun angekündigten AWV-Novelle schnellstmöglich präzisieren. Diese Novelle muss auch im Übrigen für eine abschließende Beurteilung der nun beschlossenen Änderungen des AWG abgewartet werden. Anpassungen in den Detailregelungen der AWV entscheiden gemeinsam mit der Vollzugspraxis des BMWi darüber, wie strikt die Verschärfung für die Unternehmen tatsächlich ausfällt.

BLOMSTEIN wird die weiteren Entwicklungen beobachten und darüber informieren. Wenn Sie Fragen zu den potenziellen Auswirkungen auf Ihr Unternehmen oder Ihre Branche haben, stehen Ihnen Dr. Roland M. Stein und Dr. Leonard von Rummel jederzeit gern zur Verfügung.

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