Zweites Sanktionsdurchsetzungsgesetz soll noch dieses Jahr verabschiedet werden
Das Bundeskabinett hat sich am 26. Oktober 2022 mit dem gemeinsamen Referentenentwurf des Bundesministeriums der Finanzen und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz für ein zweites Sanktionsdurchsetzungsgesetz beschäftigt. Das „Gesetz zur Durchsetzung der vom Rat der Europäischen Union im Bereich der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahmen“ (Sanktionsdurchsetzungsgesetz – SanktDG) soll die effektive Durchsetzung von Sanktionen sicherstellen. Nachdem die praktische Bedeutung von Sanktionen aufgrund der Antworten der EU auf den Ukrainekrieg in jüngster Zeit drastisch zugenommen hat, hatte bereits das erste Sanktionsdurchsetzungsgesetz punktuelle Verbesserungen vorgenommen. Das zweite Sanktionsdurchsetzungsgesetz soll nun die nötigen strukturellen Änderungen bringen und enthält zu diesem Zweck eine ganze Reihe von neuen Durchsetzungsbefugnissen für die zuständigen Behörden. Gleichzeitig soll das Gesetz die Bekämpfung von Geldwäsche erleichtern. Aufgrund von europarechtlichen Fristen muss es bis zum 1. Januar 2023 verabschiedet werden. Zudem enthält der Referentenentwurf Änderungen von weiteren Gesetzen.
Schaffung einer Zentralstelle für Sanktionsdurchsetzung
Um die Durchsetzung der vom Rat der Europäischen Union beschlossenen Sanktionsmaßnahmen zu sichern, soll eine Zentralstelle für Sanktionsdurchsetzung geschaffen werden. Diese soll unter anderem Gelder und wirtschaftliche Ressourcen von sanktionierten natürlichen und juristischen Personen ermitteln, sicherstellen und überwachen (vgl. § 1 Entwurf des SanktDG, SanktDG-E). Darüber hinaus soll es als Meldestelle für natürliche Personen und Unternehmen fungieren, die Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen von sanktionierten Personen erhalten haben (§ 10 SanktDG-E). Nach dem Vorbild der EU-Hinweisgeberstelle soll die neu geschaffene Zentralstelle auch als Hinweisstelle fungieren (§ 15 SanktDG-E). In dieser Funktion soll sie Hinweise aus dem In- und Ausland über die Durchsetzung von Sanktionen annehmen, überprüfen und entsprechende Maßnahmen veranlassen.
Diese und andere Aufgaben wird die Zentralstelle zunächst im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen ausüben. Durch die Eingliederung ins BMF sollen Synergieeffekte zur Geldwäschebekämpfung genutzt werden. Im späteren Verlauf soll die Zentralstelle in die neu zu errichtende Bundesoberbehörde zur Bekämpfung von Finanzkriminalität überführt werden.
Einrichtung eines Verwaltungsverfahrens zur Ermittlung von Vermögen sanktionierter Personen
§§ 11 und 12 SanktDG-E schaffen Verwaltungsverfahren zur Ermittlung von Vermögenswerten sanktionierter Personen. Hierzu kann die Zentralstelle zum einen das Vermögen von sanktionierten natürlichen und juristischen Personen untersuchen (sog. personenbezogene Ermittlung), sowie Vermögensermittlungen zu bestimmten Geldern und Ressourcen anstellen (sog. vermögensbezogene Ermittlung). Hierfür soll die Zentralstelle sowohl mit Landes- als auch Bundesbehörden kooperieren. Stellt die Zentralstelle fest, dass Gelder und wirtschaftliche Ressourcen aufgrund ihrer Verbindung zu der betroffenen Person oder Personengesellschaft einer Verfügungsbeschränkung im Sinne des Gesetzes unterliegen, sollen die Ergebnisse in einem entsprechenden neu geschaffenen Register aufgeführt werden. Die Zentralstelle veröffentlicht die Registereinträge auf ihrer Internetseite und ist damit für jedermann einsehbar.
Straf- und Bußgeldvorschriften
Das neue Sanktionsdurchsetzungsgesetz sieht in § 10 eine national geregelte Meldepflicht vor, die sprachlich an Artikel 9 Abs. 2 VO (EU) 269/2014 angeglichen ist. Eine inhaltliche Änderung ist damit nicht verbunden. Allerdings ist die Meldung nach Artikel 9 Abs. 2 VO (EU) 269/2014 konkret auf die Russland-Sanktionen bezogen und geht entsprechend der nationalen Regelung des § 10 SanktDG-E vor. Der neue § 18 Abs. 5a AWG sieht eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe vor, wenn entgegen Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung (EU) 269/2014 eine Meldung nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig gemacht wird. Gleiches ergibt sich aus § 16 Abs. 1 SanktDG-E. Zugleich sieht § 16 Abs. 3 SanktDG-E die Möglichkeit einer strafbefreienden Korrekturmeldung vor, wenn eine Meldung freiwillig und vollständig nachgeholt wird. Die Systematik entspricht der des § 22 Abs. 4 AWG.
Die Meldung hat künftig gegenüber der Zentralstelle für Sanktionsdurchsetzung und nicht mehr gegenüber der Deutschen Bundesbank oder dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle zu folgen.
Ordnungswidrig handelt zudem gemäß § 17 SanktDG-E, wer vorsätzlich oder fahrlässig einer vollziehbaren Anordnung nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 zuwiderhandelt. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu dreißigtausend Euro geahndet werden. § 2 Abs. 2 Nr. 1 SanktDG-E sieht dabei ähnliche Ermittlungsmöglichkeiten vor, wie sie in der StPO zu finden sind (z.B. Durchsuchungen von Büroräumen und Wohnungen, Herausgabe von Unterlagen usw.). Auch hier gilt, ähnlich wie in der StPO, gemäß § 2 Abs. 4 SanktDG-E ein Richtervorbehalt (außer bei Gefahr in Verzug).
Bei den Möglichkeiten der Sicherstellung von Vermögenswerten und wirtschaftlichen Ressourcen gemäß § 3 SanktDG-E findet sich ein solcher Richtervorbehalt nicht. Dabei ist unklar, ob der Begriff der Sicherstellung im Sinne des SanktDG-E dem einer Sicherstellung im Sinne des § 94 StPO (freiwillige Herausgabe) gleichen soll, oder vielmehr dem einer Beschlagnahme mit den förmlichen richterlichen Anordnungsvoraussetzungen gemäß § 98 StPO (bei unfreiwilliger Herausgabe). Naheliegend ist es anzunehmen, dass die betroffenen Personen ihre Gelder und sonstigen Vermögenswerte in der Regel nicht freiwillig herausgeben werden. Unklar ist jedoch, warum § 3 SanktDG-E für solche Fälle eine richterliche Anordnung nicht vorsieht und, wie § 2 Abs. 4 SanktDG-E, keine Ausnahme für Gefahr in Verzug regelt.
Zuletzt regelt § 18 SanktDG-E die Einziehung von Gegenständen bei Straftaten nach § 16 oder Ordnungswidrigkeiten nach § 17 SanktDG-E.
Unmittelbare Anwendbarkeit der Sanktionsliste der Vereinten Nationen
Eine praktisch wichtige Neuerung für Unternehmen sieht der neu zu schaffende § 5a AWG vor. Nach diesem soll die Sanktionsliste des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen – zumindest vorläufig – unmittelbar anwendbar sein. Es bedarf nicht wie bisher ein Umsetzungsgesetz des deutschen Gesetzgebers, damit die Sanktionen auch in Deutschland Wirkung entfalten. Vielmehr ist es ab Veröffentlichung der Sanktionsliste der Vereinten Nationen untersagt Verfügungen über Gelder und wirtschaftliche Ressourcen, die im Eigentum, im Besitz oder unter der Kontrolle von sanktionierten Personen stehen, zu treffen und ihnen Gelder oder andere wirtschaftliche Ressourcen bereit zu stellen. Folglich müssen Unternehmen die Sanktionsliste der Vereinten Nationen verfolgen. Die angeordneten Verfügungs- und Bereitstellungsverbote sollen nur vorläufig und vorübergehend (befristet auf maximal 5 Tage) sein. So soll die bisherige Verzögerung durch ein Umsetzungsgesetz zwischen der Resolution des Sicherheitsrates und der Geltung in Deutschland verhindert werden.
Möglichkeit der Bestellung eines Sonderbeauftragten
§ 307 Abs. 1 Nr. 5a des Entwurfs des Versicherungsaufsichtsgesetzes erlaubt der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht einen unabhängigen Sonderbeauftragen zur Überwachung der Einhaltung von Sanktionen in Unternehmen einzusetzen. Diesem kann sie weitreichende Befugnisse übertragen, um sicherzustellen, dass das Unternehmen nicht gegen Bereitstellungs- und Verfügungsverbote verstößt.
Mehr Transparenz im Kampf gegen Geldwäsche
Gleichzeitig beabsichtigt der Referentenentwurf durch verschiedene Maßnahmen mehr Transparenz hinsichtlich der von Sanktionen betroffenen Eigentumsverhältnisse zu schaffen. Dafür sollen zum einen Immobiliendaten in das Transparenzregister eingeführt werden (s. § 19a Entwurf des Geldwäschegesetzes). Bisher ist es mangels eines bundeseinheitlichen Datenbankgrundbuchs und durch strukturelle Veränderungen von Gesellschaften schwierig, in komplizierten Fällen die wahren Eigentümerverhältnisse zu überblicken. Durch die Verknüpfung zum Transparenzregister soll dies bis zur Einführung eines bundeseinheitlichen Datenbankgrundbuches erleichtert werden.
Darüber hinaus sollen nach § 19c des Entwurfs des Geldwäschegesetzes nicht mehr nur die Beteiligten einer transparenzpflichtigen Vereinigung verpflichtet sein, Gründungs- und Änderungsakte mitzuteilen, sondern auch die betroffenen Notare. Gleichzeitig sollen Vereinigungen mit Sitz im Ausland verpflichtet werden, bestehendes Immobilieneigentum bis zum 31. Dezember 2023 anzuzeigen. Damit wird die bisher bestehende Mitteilungspflicht für den Erwerb von neuen Immobilien auch auf den Bestand ausgeweitet.
Außerdem sieht der Gesetzesentwurf eine Einschränkung der fiktiven Berechtigung nach § 3 Abs. 2 Satz 5 Geldwäschegesetz vor. Diese erlaubte es Vereinigungen, die keinen wirtschaftlichen Berechtigten nach § 3 Abs. 2 Geldwäschegesetz ermitteln können, auf ihren gesetzlichen Vertreter abzustellen. Die Neuregelung sieht vor, dass Vereinigungen, die auf diese Fiktion zurückgreifen wollen, den Grund dafür angeben müssen. Dies kann zum einen daran liegen, dass kein Beteiligter die nötige Anzahl an Anteilen hält, um als „wirtschaftlich berechtigt“ zu gelten. Zum anderen kann der Rückgriff auf die Fiktion auch nötig sein, da der wahre wirtschaftliche Berechtigte nicht ermittelbar ist. Letzteres spricht für ein höheres Geldwäscherisiko und erfordert ein entsprechendes Handeln der Behörden.
Schließlich soll Geldwäsche auch dadurch erschwert werden, dass Barzahlungen bei Immobilientransaktionen grundsätzlich verboten werden.
Anpassung der Zulässigkeitsregelung in den Finanzaufsichtsgesetzen
Zuletzt sieht der Gesetzesentwurf eine Änderung verschiedener Finanzaufsichtsgesetze wie des Kreditwesens-, des Zahlungsdienstleistungs- oder des Wertpapierhandelsgesetzes hinsichtlich der Zulässigkeitsregelung vor. Demnach sollen natürliche und juristische Personen, die selbst auf der EU-Sanktionsliste stehen, unwiderruflich als „unzuverlässig“ eingestuft werden. Personen, die für sie tätig sind oder im weitesten Sinne ihre Interessen wahrnehmen, gelten widerleglich als „unzuverlässig“. Diese Neuregelung soll ein effektives Vorgehen gegen Verstöße sichern und die Integrität des Finanzmarktes schützen.
Fazit
Zusammenfassend enthält der Entwurf für ein zweites Sanktionsdurchsetzungsgesetz eine Vielzahl an Instrumenten, um die effektive Durchsetzung von Sanktionen zu sichern. Dies wird insbesondere von den Ermittlungsbehörden begrüßt. Diese wollen einerseits Sanktionen besser umsetzen, andererseits die Bekämpfung von Geldwäsche verbessern. Wie durchschlagskräftig und praktikabel all diese Maßnahmen sein werden, bleibt jedoch abzuwarten.
Wir verfolgen die Entwicklungen der EU-Sanktionen gegen Russland sowie die nationalen Regelungen diesbezüglich. BLOMSTEIN steht Ihnen jederzeit zur Verfügung, um Fragen zur praktischen Umsetzung sowie zum Anwendungsbereich dieser Maßnahmen zu beantworten. Bitte zögern Sie nicht, Pascal Friton, Roland M. Stein, Florian Wolf, Laura Louca oder Tobias Ackermann zu kontaktieren.